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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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legte ihr seine Hand auf die Schulter und sprach mit seltsam entrückter Stimme: »Beruhige dich, es ist alles in Ordnung. Nichts und niemand kann das allwissende Auge bedrohen. Es steht außerhalb von Raum und Zeit. Komm, Hannah, schließ dich uns an. Lerne die Weisheiten der Medusa und wachse daran.«
    »Hat einer von euch überhaupt kapiert, was ich eben gesagt habe?«, rief sie, und das Echo ihrer eigenen Stimme hallte von den gläsernen Wänden zurück. »Kommt zu euch, ihr Idioten! Wir werden alle sterben, wenn wir länger hier bleiben. Lasst uns das Auge nehmen und von hier verschwinden!«
    Sowohl Patrick als auch Malcolm hoben den Kopf und fixierten sie mit einem Blick, der ihr sagte, dass sie zu weit gegangen war.
    »Das Auge nehmen?« Malcolm betrachtete sie mit einer Mischung aus Wut und Erstaunen. »Niemand darf ungestraft das Auge nehmen.« Die Muskeln in seinem Gesicht zuckten, als würde ein fremder Wille seinen Körper beherrschen.
    Hannah erkannte, dass er und Patrick sich schon viel zu tief in die Mysterien des fremden Steins vorgewagt hatten und dass es für weitere Diskussionen zu spät war. Einige Stunden hatten ausgereicht, um aus normalen Menschen willenlose Marionetten zu machen. Sie hob die Waffe. »Keinen Schritt weiter. Das gilt für euch beide. Zurück an die Wand.«
    Das Gewehr fühlte sich unhandlich und schwer an, als sie die Mündung auf die beiden Männer richtete. Sie hatte noch niemals einen Menschen mit einer Waffe bedroht, und ihr wurde bewusst, dass es nun kein Zurück mehr gab. Wenn ein Streit derartig eskaliert war, konnte es keine Versöhnung mehr geben, nur noch Gewinner und Verlierer. Und der Verlierer würde mit dem Leben bezahlen.

Oberst Durand blickte auf die Uhr. Drei … zwei … eins …
    Dumpfer Donner rollte durch die Schlucht und brach sich an den Wänden. Eine Staubwolke stieg zum Himmel auf, die oberhalb der Klippen vom Wind erfasst und davongetragen wurde. Durand hob die Hand, und seine Soldaten sprangen aus den Schatten der Felsen hervor, hinter denen sie vor der Explosion Schutz gesucht hatten.
    Er blickte noch einmal auf die Uhr und setzte seine Sturmbrille auf, dann machte auch er sich auf den Weg hinab ins Tal, um die Situation in Augenschein zu nehmen. Sein Unteroffizier Sada Koutubi, ein beinahe zwei Meter großer, wuchtiger Mann, schulterte Gewehr und Rucksack und folgte ihm. Niemand sprach ein Wort, während die beiden Männer voranschritten. Der Oberst hasste überflüssiges Reden, und die Männer, die ihn umgaben, waren aus demselben Holz geschnitzt. Sie machten sich nichts aus überflüssigen Fragen und endlosen Diskussionen. Sie verrichteten ihre Arbeit und genossen die Stille. Nur wer gelernt hatte zu schweigen, konnte sich am Gesang des Windes und an der Weisheit der Steine erfreuen. Als die Gruppe eine Viertelstunde später den Boden des Tals erreichte, war an Stille allerdings nicht mehr zu denken. Hoch über ihren Köpfen dröhnte das Triebwerk des Helikopters, der sich wie eine riesige Krähe in die Luft erhob, um zum Fort zurückzufliegen. Die neuesten Wetterprognosen hatten diese Vorsichtsmaßnahme unumgänglich gemacht. Erste Zirruswolken am tiefblauen Himmel kündigten ein erneutes Unwetter an.
    Durand zwang sich, dem Helikopter nicht weiter nachzublicken. Er musste sich auf die vor ihm liegende Aufgabe konzentrieren. Der Wind trug die Rufe seiner Männer zu ihm. Die Aufregung über das, was sie entdeckt hatten, war deutlich herauszuhören. Schon wenige Minuten später konnte Durand das Ergebnis der Sprengung in Augenschein nehmen. Es war immer wieder verblüffend, was ein einzelner Mann mit einer gezielt angebrachten Ladung TNT bewirken konnte. In diesem Fall gebührte die Ehre seinem Experten Habré, einem Veteranen vom Stamm der Tubu , den Felsenmenschen. Und in der Tat verstand es Habré wie kein Zweiter, dem Fels seinen Willen aufzuzwingen. Als er den Oberst sah, hob er zur Begrüßung seine Pfeife, die er sich aus einer Patronenhülse angefertigt hatte. Würziger Tabakduft erfüllte die Schlucht. Durand betrachtete das Werk und klopfte dem alten Mann auf die Schulter. »Très bien, mon ami. Formidable!«
    Der Alte lächelte vergnügt und ließ seine Goldzähne aufblitzen. Dort, wo sich vor wenigen Minuten noch undurchdringlicher Fels befunden hatte, öffnete sich jetzt ein Gang. Er war übersät mit Gesteinssplittern und lockerem Geröll, das sich leicht entfernen ließ.
    Durand untersuchte den Stollen und stellte mit Genugtuung

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