Medusa
Ihnen Tee, Früchte, frisches Brot und etwas Ziegenfleisch anbieten.« Kores Stimme klang genauso warm und freundlich, wie Hannah sie in Erinnerung hatte.
»Es tut gut, Sie wiederzusehen«, erwiderte sie. »Ja, ich würde gern etwas essen. Ich fühle mich, als hätte ich ewig geschlafen.«
»Das haben Sie auch. Siebzehn Stunden, um genau zu sein.«
Kore half ihr auf die Beine und führte sie an das Feuer. Er legte eine Scheibe saftiges Ziegenfleisch auf das geröstete Brot, träufelte etwas Joghurt darüber und reichte ihr das Ganze zusammen mit einigen Oliven und frischen Datteln. Hannah schlang das Essen in sich hinein, als habe sie seit Wochen gehungert. Es war so köstlich, endlich wieder frisch zubereitetes Essen zu bekommen, nach all den Konserven, die sie in der letzten Zeit zu sich genommen hatte. Als sie gegessen hatte, trank sie drei Becher frisches Quellwasser, rülpste zufrieden und lehnte sich zurück. Ihr Gastgeber strahlte übers ganze Gesicht und schickte sich an, ihr eine weitere Portion zuzubereiten, doch sie winkte lachend ab. »Danke, Kore, es war köstlich, aber ich kann unmöglich noch mehr essen. Wenn Sie nicht wollen, dass ich durch Ihre Behausung rolle und Geräusche wie der alte Boucha von mir gebe, sollten Sie vorsichtig sein, mir weitere Köstlichkeiten vorzusetzen. Lebes. « Sie verneigte sich und blickte sich um. »Eine schöne Behausung haben Sie hier.«
Kore folgte ihrem Blick. »Ja, es ist einer der schönsten Orte im Garten des Propheten, auch wenn ich nur die heißesten Monate des Jahres hier verbringe. Die Höhle ist geschützt, kühl, verfügt über eine eigene Quelle und ist für jemanden, der sich in der Gegend nicht auskennt, so gut wie unsichtbar. Der ideale Altersruhesitz, wenn Sie so wollen. Wenn ich eines Tages das Umherziehen leid bin, werde ich mich dauerhaft hier niederlassen.«
»Haben Sie keine Verwandten, die Sie aufnehmen?«
Kore lächelte verlegen. »Es gab eine Frau in meinem Leben, meine targia , die einzige wirklich große Liebe, wenn Sie so wollen, doch sie ist vor vielen Jahren gestorben. Danach wollte ich mich nicht mehr binden. Sie hat mir zwei Söhne geschenkt, die inzwischen zu stattlichen Männern herangewachsen sind. Sie sind mein ganzer Stolz, doch sie haben sich vom Leben in der Wüste abgekehrt und sind nach Agadir gegangen. Dort leben sie mit ihren Familien. Einmal im Jahr besuchen sie mich, den starrsinnigen alten Mann, der wie ein Einsiedler lebt.« Ein stilles Lächeln stahl sich in sein Gesicht. »Ich liebe beide von ganzem Herzen, aber ich würde niemals mein Leben hier opfern, um ihnen zu folgen. Sehen Sie, ich bin in der Wüste geboren, und hier will ich auch sterben. Die Stadt ist nichts für mich.«
Hannah nickte. »Das kann ich gut nachvollziehen. Ich wollte Ihnen mit dieser Frage auch nicht zu nahe treten. Verzeihen Sie mir, wenn ich zu neugierig war.«
Chris, der lange geschwiegen und an seiner Pfeife gezogen hatte, meldete sich zu Wort. »Sie sagten, für jemanden, der sie nicht kennt, sei die Höhle unsichtbar. Schließt das unseren Verfolger ein?«
Kore schüttelte den Kopf. »Nein. Oberst Durand und seine Rebellen kennen diesen Ort, und sie werden über kurz oder lang hier suchen. Dieser Platz ist nicht sicher.«
An Hannah gewandt fuhr er fort: »Sie müssen entschuldigen, dass Ihr Begleiter mich während Ihres Schlafes über die Situation in Kenntnis gesetzt hat. Er hielt es für ratsam, und ich stimme ihm zu. Unter seiner freundlichen Schale ist Oberst Durand ein gefährlicher Mann, und wenn er Ihnen auf den Fersen ist, dann müssen Sie diesen Ort schnellstens verlassen. Ich habe zwar einige Jagdbüchsen hier, aber sie sind alt und können nicht mit den Waffen des Militärs konkurrieren. Wenn er weiß, wo Sie sich aufhalten, wird er diesen Ort in Schutt und Asche legen.«
Hannah sackte innerlich zusammen. Sie hatte gehofft, hier untertauchen zu können, und nun das. Würde die Jagd denn nie ein Ende nehmen?
»Gibt es keine Möglichkeit, uns in dieser Gegend für eine Weile zu verstecken? Wir sind am Ende unserer Kräfte und haben keine Hoffnung mehr, rechtzeitig aus Durands Machtbereich zu entkommen. Er schreckt vor nichts zurück. Er hat bereits meinen langjährigen Freund Abdu getötet.«
»Ihr Begleiter hat es mir erzählt. Aber ich kann es nur noch einmal bekräftigen. Es wäre Wahnsinn, hier zu bleiben. Es würde auch nicht reichen, die Grenze nach Algerien zu überqueren. Sie verläuft etwa zweihundert Kilometer
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