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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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von hier durch den Wüstensand, ist aber nicht gesichert, und ein Strich auf der Landkarte wird ihn nicht aufhalten. Abgesehen davon verfügt er über einen Hubschrauber, und in der Luft gibt es keine Grenzen.«
    Er beobachtete Hannah aufmerksam aus seinen Augenwinkeln. »Irgendetwas scheinen Sie bei sich zu tragen, das er unbedingt in seinen Besitz bringen will.«
    Auf Hannahs fragenden Blick hin erläuterte Chris: »Ich habe bisher noch nichts von unserem Fund erzählt. Ich fand, es sei deine Aufgabe.«
    Hannah zögerte kurz, doch dann entschied sie sich, Kore zu vertrauen. Er hatte sich ihr gegenüber immer loyal verhalten. Sie atmete tief durch, erhob sich von der Feuerstelle und holte ihre Ledertasche. Als sie sich wieder setzte, ihre dicken Archäologenhandschuhe überstreifte und den kostbaren Inhalt hervorholte, war ihr, als würde der Wind nachlassen und die Wüste in erwartungsvollem Schweigen verharren. Der feuchte Wollpullover, der den mysteriösen Stein vor Lichteinfall schützen sollte, lag schwer auf ihrem Schoß, als sie zu erzählen begann. »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, begann sie unsicher, und Schweiß trat ihr auf die Stirn. Obwohl es immer noch angenehm kühl war, fühlte sie sich heiß und fiebrig. »Hier in meinem Schoß liegt ein Gegenstand, nach dem Menschen aller Epochen gesucht haben. Eigentlich ist er der Stoff, von dem die Mythen und Legenden berichten, und doch halte ich ihn hier zwischen meinen Händen. Er ist so real wie Sie und ich, obwohl ich in letzter Zeit immer öfter davon träume, dass er nur in meiner Fantasie existiert. Kore, Sie erinnern sich sicher noch an den Tag, an dem Sie mir den Eingang zu dem versteckten Tal im Tassili N’Ajjer gezeigt haben.«
    »So deutlich, als sei es gestern gewesen.«
    »Sind Sie jemals selbst bis zum Ende dieser Schlucht gegangen und haben gesehen, was sich dort befindet?«
    Der alte Tuareg begann unruhig auf seinem Polster hin und her zu rutschen, als sei ihm die Frage unangenehm. Es dauerte eine Weile, ehe er antwortete.
    »Ja, ich war dort. Einmal, als ich noch sehr jung war.«
    »Was haben Sie dort gesehen?«
    Kores Stimme wurde leiser, bis nur noch ein Flüstern vernehmbar war. »Die vielarmige Mutter der kel essuf . Die Hüterin des allsehenden Auges Allahs. Doch was ich getan habe, war ein Frevel. Uns Muslimen ist es verboten, diesen Ort zu betreten.«
    »Und doch haben Sie mich dorthin geschickt. Warum?«
    »Weil Sie nicht durch unseren Glauben und unsere Gesetze an das Verbot gebunden sind. Ihnen ist es gestattet, sich dort aufzuhalten und zu forschen. Vielleicht wollte ich, dass Sie es sehen, um mir später davon zu erzählen.«
    Zum ersten Mal, seit sie ihm begegnet war, hatte Hannah den Eindruck, dass Kore Angst empfand. Das war umso beeindruckender, als sie ihn für einen Mann hielt, der so leicht nicht aus der Fassung zu bringen war. Sie nickte.
    »Sie sollten jedoch nicht vergessen, dass das Wissen sowohl ein Fluch als auch ein Segen sein kann. Die Figur im Tassili N’Ajjer ist nur ein verkleinertes Abbild dessen, was sich in den Tiefen des Tamgak befindet. Wir haben dort unten eine Tempelanlage gefunden, die vor vielen tausend Jahren von den Vorfahren Ihres und meines Volkes erbaut wurde. Zu Ehren einer Göttin, die heute längst in Vergessenheit geraten ist. Sie besitzt nur ein Auge, ein einziges. Aber dieses Auge hat die Fähigkeit, direkt in die Herzen der Menschen zu blicken. Wenn Sie erlebt hätten, was wir gesehen haben, dann wüssten Sie, dass dieses Auge einer der wertvollsten und geheimnisvollsten Gegenstände ist, die jemals gefunden wurden. Und hier ist es!«
    Mit diesen Worten schlug sie den feuchten Stoff zur Seite und entblößte die schimmernde Kugel vor dem fassungslosen Tuareg. Im schwachen Licht des Lagerfeuers war zu erkennen, wie sich die Oberfläche des Materials sofort mit Wasser überzog. Ein kleines Rinnsal begann über Hannahs Handschuhe zu laufen und im Sand der Höhle zu versickern. Minutenlang starrt Kore auf den Kometenkern, beobachtete, wie das Wasser aus dem Nichts zu entstehen schien und in einem beständigen Rinnsal zu Boden floss. Das Geräusch, das dabei entstand, klang seltsam hart und kalt in der warmen Geborgenheit der Höhle. Hannah spürte, wie die Feuchtigkeit das Leder ihrer Handschuhe durchdrang, und glaubte bereits erste Anzeichen einer Bewusstseinsveränderung zu spüren, als Kore unvermutet seinen Arm hob und die Kugel berührte. Es geschah so schnell, dass Hannah

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