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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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wahr? Redet nicht viel. Er verbringt die meiste Zeit mit seinen Studien an der Medusa. Besonders die Inschriften auf dem Steinsockel scheinen es ihm angetan zu haben. Außerdem ist er der einzige Kerl, bei dem ich auf Granit beiße.«
    Hannah blicke Irene mit hochgezogenen Augenbrauen an.
    »Nicht, dass ich es ernsthaft versucht hätte. Es ist mehr so ein Spiel. Das kennst du doch. Ein kurzer Blick, ein angedeutetes Lächeln, einfach mal testen, wie die Chancen stehen.«
    Hannah drehte die kühle Bierflasche in ihren Händen. »Ich fürchte, ich habe nicht so viel Übung wie du. Meine Umgangsformen sind in den letzten Jahren etwas eingerostet. Es kann ziemlich einsam sein hier draußen.«
    »Aber du willst mir doch nicht erzählen, dass mit Abdu noch nichts gelaufen ist. Er ist charmant. Außerdem ist er ein wirklich gut aussehender Mann, wenn man auf den dunklen Typ steht.«
    Hannah schüttelte den Kopf. »Abdu ist glücklich verheiratet. Hat eine nette Frau und vier Kinder in Algier. Er sieht seine Familie zwar selten, aber das ist bei den Tuareg nichts Außergewöhnliches. Und glaube mir, es ist besser so. Nichts ist tödlicher für eine Beziehung als ein gemeinsamer Job. Das führt nur zu Streit.«
    Irene legte den Kopf in den Nacken und betrachtete die Sterne. »Stimmt schon. Bei mir hat es auch nie lange gehalten. Zwei Monate hier, drei Monate da, dann verlor man sich wieder aus den Augen. Und es hat immer wehgetan. Deshalb lasse ich mich auf nichts Ernsthaftes mehr ein. Aber so ganz ohne Sex ist es auch fad. Erzähl mir nicht, dass du das hinbekommst.«
    Hannah spürte, dass ihr dieses Gespräch zu intim wurde.
    Außerdem musste sie sich eingestehen, dass im letzten halben Jahr tatsächlich nichts gelaufen war. Nicht, solange sie in der Wüste war. Das letzte Mal, dass sie mit einem Mann geschlafen hatte, war während eines kurzen Heimspiels an der Goethe Universität in Frankfurt, kurz nachdem sie die Medusa entdeckt hatte. Sie war zurückgeflogen, um sich ihre Forschungsgenehmigung am Frobenius Institut verlängern zu lassen, und hatte sich bei der Gelegenheit mit Paul, einem ehemaligen Studienkollegen, getroffen. Paul war zwar ein echter Langweiler, aber er hatte eine Art an sich, die ihre Beschützerinstinkte weckte. Außerdem war er ein ausdauernder und geduldiger Liebhaber. Und er war verfügbar, was man von den meisten ihrer ehemaligen Freunde und Kollegen nicht behaupten konnte. Paul war immer da. Er machte nie Urlaub und hatte nie etwas vor, was sich nicht verschieben ließ. Vielleicht war es diese Beständigkeit, die ihre romantischen Gefühle geweckt hatte. Doch Paul war nicht der Mann, mit dem man angeben oder den man bei dieser Art von Unterhaltung als Trophäe vorweisen konnte. Nicht so wie Simon, mit dem sie vor vier Jahren Schluss gemacht hatte. Oder er mit ihr, genauer gesagt.
    Ohne es zu wollen, glitten ihre Gedanken in die Vergangenheit. Das war das erste Mal seit über einem Monat, dass sie an Simon Gerling denken musste. Ein Rekord. Früher war kein Tag vergangen, an dem sie sich nicht den Kopf zerbrochen hatte, wo er jetzt war und was er gerade tat. Er war das, was man wohl als große Liebe bezeichnet. Er war der Einzige gewesen, für den sie ihre Karriere hingeschmissen hätte, um eine Familie zu gründen. Vielleicht hatte er das gespürt, und vielleicht war genau das der Grund gewesen, weshalb er sie verlassen hatte. Was auch immer zu ihrer Trennung geführt haben mochte, für Hannah war sie jedenfalls Anlass genug gewesen, alles stehen und liegen zu lassen, zu Theodore Monod in die Wüste zu gehen und ein Leben in Einsamkeit zu wählen. Sie schrak aus ihren Gedanken auf, als sie bemerkte, dass Irene sie erwartungsvoll anblickte.
    »Du wirst lachen, aber ich war in letzter Zeit so in meine Arbeit vertieft, dass ich keinen Gedanken daran verschwendet habe. Ich glaube tatsächlich, dass man sich Sex auch abgewöhnen kann. Wahrscheinlich gehöre ich sowieso nicht zu dem Typ Frau, den Männer begehrenswert finden.«
    »Blödsinn!«, entgegnete Irene. »Stell dein Licht nicht unter den Scheffel. Du bist attraktiv, glaub mir. Nimm zum Beispiel Chris. In der Art, wie er dich bei unserer ersten Begegnung angesehen hat, habe ich sein Interesse an dir bemerkt.«
    Hannah spürte eine Wärme in ihrem Bauch aufsteigen. Ob es an dem Bier lag oder an dem Kompliment, wusste sie nicht, allein, dass es ihr dabei gut ging. Zuerst hatte sie gedacht, dass sie sich das mit Chris nur eingebildet hatte, aber

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