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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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über ein Kornfeld. Hannah drückte mit einem Finger gegen eines der Bakterienpolster. Das Licht verlosch für kurze Zeit, dann sickerte es wieder durch.
    »Wunderschön«, flüsterte sie. »Es erinnert mich an Leuchtstäbe, wie wir sie auch schon verwendet haben.«
    »Ist auch ein ähnliches Prinzip«, hörte sie Malcolm. »Chemische Lumineszenz.«
    »Hört auf zu dozieren, und seht euch das an«, hörten sie Albert sagen, der sich, seiner Höhenangst zum Trotz, über die Kante beugte und in die Tiefe starrte.
    Hannah löste ihren Blick von den kleinen Polstern und folgte seiner Aufforderung. Sie musste sich an Chris festklammern, so überwältigend war der Anblick.
    Unter ihnen öffnete sich ein Meer aus Licht. Es strömte in Kaskaden die Wände hinab und sammelte sich in den Nebeln irgendwo tief unter ihnen. Während sie hinabstarrte, spürte sie einen Gedanken in sich aufsteigen. Sie hatte all das schon einmal gesehen. In ihrem Traum. Die leuchtenden Wände, das Tor aus Licht, der tiefe Sturz.
    Mittlerweile hatten sich ihre Augen so sehr an die geheimnisvollen Lichtverhältnisse gewöhnt, dass es ihnen möglich war, ohne Lampen auszukommen.
    »Ich habe das Gefühl, dass die Helligkeit nach unten hin zunimmt«, flüsterte Albert.
    »Das Gefühl habe ich auch«, antwortete Patrick. »Und zwar im selben Verhältnis wie die Luftfeuchtigkeit. Ist euch schon aufgefallen, dass es immer nebeliger wird, je tiefer wir hinabsteigen? Und wenn ich mich nicht ganz täusche, höre ich ein Plätschern von da unten.«

16
    Chris spürte das Jagdfieber in sich aufsteigen. In diesem Augenblick spielte Strombergs Auftrag keine Rolle mehr. Es spielte auch keine Rolle mehr, ob, wann oder von wem sie gerettet wurden. Jede Faser seines Körper war von dem Wunsch beseelt, endlich herauszufinden, wie es dort unten weiterging. Mittlerweile war er bereit, zu glauben, dass man ihn auf den sagenumwobenen Schatz König Salomons angesetzt hatte – oder auf die Entdeckung von Atlantis.
    Den anderen schien es ähnlich zu gehen. Getrieben von Neugier und Wissensdurst eilte die Gruppe im Laufschritt die Stufen hinab. Patrick hatte sich nicht getäuscht. Die Luftfeuchtigkeit nahm rapide zu. Mit jedem Schritt wurde die Luft trüber. Nebelschwaden waberten in die Höhe und verschleierten den Blick auf das, was sich dort unten befinden mochte. Chris hob den Kopf. Der Geruch von vermoderten Pflanzen stieg ihm in die Nase, während das Plätschern lauter wurde. Immer undurchdringlicher wurde der Nebel. Die Ursache dafür war Chris schleierhaft. Selbst als promovierter Klimatologe konnte er sich nicht erklären, wie sich innerhalb eines abgeschlossenen Raumes ein solch stark differenziertes Mikroklima bilden konnte. Die Abfolge von trockener Luft im oberen Bereich bis hin zu tropischen Nebeln in den unteren Schichten war unter normalen meteorologischen Bedingungen nicht erklärbar. Doch die Erforschung dieses Phänomens hatte zu warten. Zuerst mussten sie herausfinden, was sich hier unten verbarg.
    Chris war einer der Ersten, die das Ende der Treppenflucht erreichten. Gemeinsam mit Gregori, der sich sehr gut von seinem Unfall erholt zu haben schien, erwartete er die Ankunft der anderen. Die Sicht betrug weniger als zwanzig Meter. Das Geräusch, das vor ihnen aus dem Nebel drang, klang nicht mehr nach einem Bach oder einem Tümpel. Es musste sich um eine größere Wasserfläche handeln, einen See vielleicht. Möglicherweise war das Wasser sogar trinkbar.
    Endlich schloss auch der Rest der Gruppe zu ihnen auf. Beruhigt stellte Chris fest, dass niemand fehlte. Bei dieser schlechten Sicht konnte man sich schnell verlieren. Sie durften jetzt nicht leichtsinnig werden und mussten unbedingt zusammenbleiben.
    »Großer Gott, ich spüre meine Beine kaum noch«, lamentierte Malcolm. »Bei Stufe zweitausend habe ich zu zählen aufgehört. Schrecklich die Vorstellung, dass wir da wieder hinaufmüssen.«
    Malcolms Beschwerderufe kamen so sicher wie das Amen in der Kirche, und Chris hätte einen Hunderter darauf verwettet, dass sie auch diesmal nicht ausbleiben würden. Andererseits hatte er sich schon so an das Gejammer gewöhnt, dass er es schmerzlich vermisst hätte, wäre es ausgeblieben.
    »Alle da? In Ordnung, dann können wir weitergehen. Und Irene …«, er deutete auf die Lampe, »… du solltest jetzt besser das Licht löschen. Die natürliche Helligkeit ist hier unten groß genug. Wir müssen Gas sparen, außerdem blenden die Lampen.«
    Irene überlegte

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