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Medusa

Medusa

Titel: Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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einer Mischung aus Mitleid und Besorgnis an. Von allen schien er mit der Situation am wenigsten umgehen zu können. Wie hatte er sich verändert. Aus dem freundlichen Mann, der so wunderbar auf seinem Saxofon spielen konnte, war ein Nervenbündel geworden, dessen Stimme von einer nahenden Hysterie zeugte.
    Albert räusperte sich. »Wenn ihr mir ein Walkie-Talkie und ein Gewehr gebt, könnte ich Carter nach oben mitnehmen und bewachen. Er könnte mir beim Graben helfen, was meint ihr?«
    Irene blickte in die Runde. »Also ich finde die Idee gut. Das erspart uns eine Menge Probleme mit unserem Gast. Außerdem sind wir hier unten dann zu sechst und können bequem zwei Teams bilden. Was meinst du, Malcolm?«
    Der Kameramann blickte sich um, als sei er unzufrieden, dass die Idee nicht von ihm stammte, doch dann gab er sein Einverständnis. »In Ordnung, nimm ein Gewehr und etwas Proviant mit. Vor allem Wasser, davon haben wir hier unten ja wirklich genug. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, ruf uns über das Funkgerät.« Dann wandte er sich an Chris. »Und dir kann ich nur raten, dich friedlich zu verhalten. Solltest du irgendwelche Dummheiten machen, wirst du mich kennen lernen.«
    Hannah sah zu, wie Albert zwei Umhängetaschen mit Nahrungsmitteln und Wasserflaschen voll stopfte und eine davon Chris um den Hals hängte. Dann schulterte er das Gewehr, tastete prüfend nach dem Funkgerät, nickte ihnen noch kurz zum Abschied zu und marschierte davon.
    Chris warf Hannah einen letzten traurigen Blick zu, dann humpelte er hinterher.
    »Da haben wir uns ja eine richtige Laus im Pelz eingefangen«, spottete Malcolm, während er Hannah eines der zwei verbliebenen Funkgeräte reichte. »Nur gut, dass wir ihn rechtzeitig genug enttarnen konnten. Nicht zu fassen, dass du auch noch eine Affäre mit ihm anfangen wolltest. Frauen sind manchmal so was von blind.« Er schüttelte den Kopf.
    »Lass sie doch in Ruhe, und genieße deinen Triumph.« Gregori begann mit kurzen wütenden Bewegungen Proviant in seinen Umhängebeutel zu stopfen. »Du hast gewonnen. Warum kannst du nicht aufhören, wegen jeder Kleinigkeit auf ihr herumzuhacken? Damit es gleich klar ist, ich gehe mit ihr.«
    Damit deutete er auf Hannah.
    »Und ich ebenfalls«, ergänzte Abdu, der den Sitz seines Messers am Gürtel überprüfte.
    »Na bestens.« Malcolm ließ ein schmales Lächeln aufblitzen.
    »So haben wir jedenfalls keine Schwierigkeiten, zwei Teams zu bilden. Wie sieht es mit dir aus, Patrick?«
    Als Hannah zu Patrick blickte, bemerkte sie einen unangenehmen, gierigen Ausdruck in seinem Gesicht.
    »Ich bleibe hier«, sagte er. »Von diesem Tempel können mich keine zehn Pferde wegholen. Ich will unbedingt dabei sein, wenn wir ihm seine Geheimnisse entlocken.« Patricks Augen funkelten wie bei einem Raubtier, das argwöhnisch seine Umgebung sondierte.
    Es war nicht das erste Mal, dass Hannah sich fragte, ob die Veränderungen, die sie bei ihren Kollegen bemerkte, etwas mit dem Tempel zu tun hatten oder eher mit ihrer persönlichen Verfassung.
    Patrick, dessen naive, einfache Art ihr immer sympathisch gewesen war, hatte einen Zug angenommen, der ihr nicht behagte. Ebenso Malcolm. Er hatte sich zwar immer schon ruppig und impulsiv gegeben, aber sie hatte das nur als äußeren Schein abgetan, jedenfalls bis heute. Die Misshandlung von Chris hatte eine neue, dunkle Seite an ihm offenbart. Selbst an Irene waren die Ereignisse nicht spurlos vorübergegangen. Als sie sich kennen lernten, war sie offen und herzlich, hatte immer einen frechen Kommentar auf den Lippen und ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Alles Eigenschaften, die Hannah an ihr mochte. Doch davon war kaum noch etwas übrig. Schweigsam war sie geworden. Die Falten in ihrem Gesicht schienen sich vertieft zu haben, und ihre Blicke waren spitz wie Nadelstiche. Es schien, als sei sie binnen weniger Wochen um Jahre gealtert.
    Hannah zögerte und entschied dann, dass es höchste Zeit war, auf Distanz zu gehen. »In Ordnung«, sagte sie, während sie einen prall gefüllten Proviantbeutel aus Abdus Händen entgegennahm. »Machen wir uns auf den Weg. Ich würde vorschlagen, dass wir uns in regelmäßigen Abständen melden, etwa einmal jede Stunde. Sollte sich etwas Ungewöhnliches ereignen, natürlich eher. Das Gleiche gilt für euch.«
    Sie blickte kurz auf ihren Kompass, zog den Riemen ihrer Tasche fest und wandte sich ein letztes Mal zu Irene, Malcolm und Patrick um.
    »Wir werden uns Richtung Osten bewegen und

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