Medusa
zu ihren Füßen, ebenfalls eine bewegliche Steinplatte befand. Hinzu kam, dass sich der Eingang auf einer höheren Ebene befunden hatte. Der Raum hier lag mindestens zweihundert Meter tiefer, so dass die Vorstellung, die Tür würde sich unter ihren Füßen befinden, keinen Sinn machte.
Sie dachte noch einmal über die Klangskulptur nach. Richtig! Während des Abstiegs, einige Meter unterhalb der Krypta, hatten sie ebenfalls eine entdeckt. Vielleicht hatte das etwas zu bedeuten. Ihr Blick wanderte zur Decke des Gewölbes. Sie spürte, wie ein Schauer der Erregung über ihren Rücken kroch. Da war etwas. Auf halber Strecke zum Scheitelpunkt des Gewölbes zeichnete sich ein Rechteck ab, dessen feine Ränder dunkler als das umgebende Gestein waren. Von der Größe her konnte es sich durchaus um ein Portal handeln. Sie stand auf und trat direkt darunter. Mit ausgestrecktem Arm reichte sie gerade hoch genug, um mit ihren Fingerspitzen den unteren Teil des Deckengewölbes zu erreichen. Sie ertastete einen schmalen Spalt, der sich feucht anfühlte. Sie rieb etwas fester und roch an ihren Fingern. Kein Zweifel … Wasser. Das musste er sein. Der lange gesuchte Ausgang.
Sie sah sich um. Nirgendwo gab es so etwas wie einen Griff, eine Vertiefung oder gar einen Türöffner. Ein unangenehmer Gedanke keimte in ihr auf. Vielleicht sollte man gar nicht so einfach nach draußen gelangen. Vielleicht war dieser Raum eine Falle, gebaut für diejenigen, die sich unbefugt Eintritt zum Heiligtum verschafft hatten. Für Menschen wie sie.
Schaudernd wandte sie sich von der Tür ab. Ihr Blick fiel wieder auf die Medusa. Hätte sie doch niemals die Skulptur im Tassili N’Ajjer entdeckt. Sie hatte ihr bisher nur Unglück gebracht.
Auf dem Gesicht der gemeißelten Figur lag ein wissender Ausdruck. Hannah entdeckte einen Zug um den Mund, der wie ein verächtliches Lächeln aussah.
»Lach nur, du Pockengesicht«, flüsterte Hannah. »Irgendwann kommt der Moment, da lache ich über dich.«
Plötzlich hörte sie wieder diese Stimme, diese seltsame, körperlose Stimme. Untersuche die Skulptur! Die Worte formten sich wie von selbst auf ihren Lippen. Sie strich sich über die Stirn, als könne sie die fremde Stimme fortwischen. Dabei machten die Worte durchaus Sinn. Bei ihren ganzen Untersuchungen hatten sie die Medusenskulpturen immer sträflich vernachlässigt. Alle, bis auf Gregori. Er war als Erster auf die Idee gekommen, dass die Figuren selbst auch eine Funktion gehabt haben könnten. Hannah erinnerte sich an eine Diskussion mit ihm über den Zweck der klingenden Schlangenarme. Sie waren übereingekommen, dass die Töne, die man auf ihnen spielen konnte, wahrscheinlich nur religiösen Zwecken gedient hatten. Was aber, wenn etwas anderes dahintersteckte? Was war, wenn die Skulptur selbst ein Teil des Schließmechanismus war?
Sie war gerade im Begriff, mit der Untersuchung des Sockels zu beginnen, als das Walkie-Talkie knackte.
»Malcolm an Team eins. Bitte meldet euch! Hannah, Gregori, könnt ihr mich hören? Over.«
Hannah griff nach dem Gerät und drückte den Sendeknopf.
»Hannah hier, was gibt es? Over.«
»Hannah, gut, dass ich dich erreiche. Es gibt Probleme. Wir haben seit einigen Stunden keinen Funkkontakt mehr zu Albert. Wir haben alles versucht, aber das Gerät bleibt stumm.«
»Vielleicht liegt es an der Batterie. Over.«
»Nein, ausgeschlossen. Die Kapazität reicht für gut eine Woche Dauerbetrieb. Außerdem konnten wir feststellen, dass Alberts Gerät auf Empfang gestellt ist. Es geht nur niemand ran. Aber das Schlimmste kommt noch. Patrick ist losgelaufen, um nach dem Rechten zu sehen, doch er musste unverrichteter Dinge wieder zurückkehren. Die Platte ist geschlossen. Ich wiederhole, der Eingang ist versperrt. Wir können nicht mehr zurück. Over.«
»Großer Gott. Warum sollte das jemand getan haben? Das ist doch Wahnsinn. Hat Patrick wirklich alles genau untersucht?«
»Ja, hat er. Er hat sogar versucht, die Platte hochzustemmen. Dabei fiel ihm etwas Feuchtes an einer Ecke auf, bei dem es sich ganz eindeutig um frisches Blut handelte.«
Es entstand eine kurze Pause, so dass Hannah schon glaubte, Malcolm habe die Verbindung gekappt, doch dann setzte seine Stimme wieder ein, leise und schwerfällig.
»Hannah, ich weiß nicht, was da vorgefallen ist, aber du und dein Team, ihr solltet schleunigst zur Basis zurückkehren.«
Sie hörte sein schweres Atmen, als hätte ihn dieser kurze Dialog sehr
Weitere Kostenlose Bücher