Medusa
Aufmerksamkeit abgelenkt. Chris durchzuckte es: Jetzt! Das war die Chance!
Mit den Füßen schleuderte er seinem Kontrahenten eine Ladung Sand ins Gesicht und rollte sich zur Seite. Keinen Moment zu früh, denn dort, wo er gerade noch gelegen hatte, spritzte eine Hand voll Einschüsse durch den Staub. Beck fluchte und versuchte sich den Sand aus den Augen zu wischen, als Chris ihm mit einem mächtigen Tritt die Beine unter dem Körper wegzog. Der Körper des Tontechnikers schlug schwer auf dem Boden auf, und Chris konnte hören, wie sein Gegner keuchend atmete. Er warf sich mit seinem ganzen Gewicht auf Alberts Brustkasten. Voller Befriedigung vernahm er ein Knacken in Becks Brust und wollte sich gerade aufsetzen, um ihn zu entwaffnen, als ihn ein Schlag mit dem Gewehrkolben am Kopf traf. Roter Nebel waberte vor seinen Augen, während er versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben. Jede Faser seines Körpers schrie nach einer erlösenden Ohnmacht, doch er durfte dem Gefühl nicht nachgeben. Er musste bei klarem Verstand bleiben, wollte er die nächsten Sekunden überleben. Beck war entweder nicht so schwer getroffen, wie er gehofft hatte, oder er war ein verdammt zäher Bursche. Jedenfalls bekam er sich viel schneller unter Kontrolle als erwartet und rollte sich zur Seite. Er nutzte seine Chance und verpasste Chris einen Tritt in die Magengrube, dass dieser glaubte, es würde ihn innerlich zerreißen. Die Zeit schien sich in einen zähen Brei zu verwandeln. Geräusche, Gefühle und Bewegungen liefen wie in Zeitlupe ab. Mit letzter Kraft richtete Chris sich auf und warf sich hinter die schützende Falltür.
Die mächtige Steinplatte war nun der einzige Schutz. Doch jetzt war ihm der Fluchtweg durch den Tunnel versperrt, denn der befand sich auf der anderen Seite.
»Wie soll es denn jetzt weitergehen?« Alberts Stimme hatte einen überheblichen Klang. »Willst dich wohl verstecken, was? Aber daraus wird nichts, Freundchen. Komm hinter dem Stein hervor, und ich verspreche dir, dass ich dir einen schnellen, schmerzlosen Tod schenken werde. Wenn du dich weigerst, wirst du feststellen, dass eine Hinrichtung verdammt lange dauern kann.«
Seine Worte wurden von einem gequälten Husten unterbrochen. Chris vermutete, dass er seinem Gegner mindestens eine Rippe gebrochen hatte. Er sah sich um und erblickte den Gaskocher und das Lagerfeuer zu seinen Füßen. Ohne zu zögern, hielt er seine Hände über die Flammen. Ein stechender Schmerz durchfuhr ihn, doch seine Hände waren endlich frei. Er packte den Gasbrenner, verbarg ihn hinter seinem Rücken und richtete sich wieder auf. Die Schmerzen in seinen Händen wurden jetzt unerträglich, doch er zwang sich, seine letzte Chance zu nutzen. Mit langsamen Schritten kam er hinter der Felstür hervor.
»So ist es gut, mein Junge«, grinste Beck. Ein dünner Blutfaden zog sich von seinem Mundwinkel zum Kinn. Die Waffe auf ihn gerichtet, dirigierte er Chris Richtung Wand. In einem Halbkreis schlich er um ihn herum, bis er selbst am Rand der Falltür stand. Das war der Moment, auf den Chris gehofft hatte. Als das Lagerfeuer genau zwischen ihnen lag, handelte er. Mit einem gewaltigen Ruck brach er das Ventil des Gasbrenners ab und schleuderte seinem Gegner die heulende Kartusche vor die Füße. Das Gas entzündete sich schlagartig. Eine Stichflamme zuckte auf, dann explodierte die Kartusche mit einem gewaltigen Knall. Die Druckwelle war so groß, dass Chris zu Boden geschleudert wurde. Albert Beck aber wurde durch die Luft gewirbelt und krachte gegen die Steinplatte. Leblos sackte er zu Boden.
Ein Rumpeln erfüllte den Raum. Chris sah mit aufgerissenen Augen, wie sich die Platte senkte. Allein würde er sie nicht mehr anheben können. War sie erst geschlossen, saß er in der Falle. Er griff nach der Laterne und versuchte mit letzter Kraft die Treppe zu erreichen, die zum Tempel hinabführte. Fast hatte er es geschafft, als ihn etwas packte. Er drehte sich um. Es war Albert Beck, der sich an ihm festklammerte. Die Wucht der Explosion schien ihn nur kurzfristig außer Gefecht gesetzt zu haben. Seine Augen glänzten wie bei einem Wahnsinnigen.
»Du bleibst hier«, zischte er, während er sich mit eisenharter Hand an Chris’ Weste festklammerte. »Du entkommst mir nicht. Eher will ich in der Hölle brennen, als dass du diesen Raum lebend verlässt.«
Die Explosion hatte sein Wahrnehmungsvermögen offenbar empfindlich gestört, denn er schien nicht zu bemerken, wie sich von oben die schwere
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