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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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Ball. Sagte:
    »Ich hab überhaupt nur wegen dir zugesagt, Sina! Nur weil ich mir gedacht habe, du bist sicher begeistert«,
    Und war es nicht wirklich genau das, was sie hatte tun wollen? Handbuch USA. Die Ostküste: damit hatte das Ganze angefangen, Jacques folgte Sina mit den Augen. Sagte: »Bitte, Sina.«
    Sagte: »Also ohne dich fahre ich auch nicht, Sina. Jetzt komm schon. Entscheide dich«,
    Aber im Grunde hatte sie sich schon entschieden. Oder hatte die Entscheidung akzeptiert: die für sie getroffen worden war, sie würde natürlich mitfahren.
    Etwas war allerdings noch zu tun. Etwas mußte noch ausgeschlossen werden, Sina ging in ihr Zimmer und packte. Räumte Kleider in die Schränke des Wohnmobils, Waschsachen ins Bad, dann gingen sie in den Supermarkt. Füllten den Kühlschrank, die Wasserkanister, als Billy Todd am Abend zurückkehrte, war alles fertig. Er war erleichtert. Zückte ein von einer Klammer zusammengehaltenes Bündel Geldscheine,
    »Erste Rate und Spesenvorschuß«,
    Jacques zwinkerte Sina über Billys Kopf hinweg zu. Sina sah weg. Wollte nicht wissen, wieviel Geld Billy Jacques gab, sie gingen früh schlafen: in Sinas Bett, das Kind zwischen sich. Noch vor Sonnenaufgang schlich sich Sina aus dem Haus.
    Nahm im Vorbeigehen Jacques’ Autoschlüssel vom Tisch, ging über den dunklen Parkplatz. Fuhr aus Coral Springs hinaus, dann auf die Interstate 9 5 in nördlicher Richtung. Als sie den Strand erreichte, war der Himmelüber der See perlgrau. Sie parkte den Wagen, ging hinunter zum Wasser. Setzte sich in den Sand, der kalt war, morgenfeucht, sah den Möwen auf den absurden Holzstegen zu, langsam stieg die Sonne höher. Es wurde warm. Sie wartete bis gegen zwölf: auf Judith, die Frau mit den Ziegen, sie hatte doch gesagt, sie ginge hier jeden Morgen zum Schwimmen! Aber heute war sie nicht gekommen, und was wollte Sina überhaupt von ihr? Eine Auskunft vielleicht. Eine Einladung womöglich, ein Angebot: Sinas Führerin zu sein in Amerika, Sina wußte es nicht. Fuhr schließlich wieder zurück, Jacques rannte ihr über den Parkplatz entgegen. War außer sich,
    »Verdammt noch mal, Sina, wo bist du gewesen! Ich habe gedacht, du bist abgehauen. Ich habe gedacht, du bist mit meinem Wagen getürmt«,
    Sie gab ihm seine Autoschlüssel zurück. Entschuldigte sich: erklärte aber nichts, sie machte sich ein Sandwich, während er Billy Todd anrief, um ihm zu sagen, daß sie jetzt losfahren würden. Sie benutzte die Küche des Wohnmobils zum ersten Mal. War plötzlich aufgeregt. War so etwas wie glücklich: erwartungsfroh, Jacques kletterte auf den Fahrersitz. Ließ den Wagen an, sie sagte,
    »Ich freue mich, Jacques. Ich freue mich so, daß du mir jetzt Amerika zeigst«,
    Sein Gesicht hellte sich sofort auf.
    Sie hielt das Kind auf dem Schoß, als sie Coral Springs verließen. Kaute ihr Sandwich: Smoked Turkey, Hellman’s Mayonnaise, sie fuhren auf die Interstate 95. Fuhren nach Norden: dieselbe Strecke, die Sina heute morgen allein gefahren war, aber jetzt in der Mittagshitze schimmerte der Asphalt, als wäre er naß. Sina kurbelte das Fenster herunter, trotz der Air condition. Schaltetedann das Radio an, suchte einen Salsasender: Mi destino, mi suerte, Jacques begann mitzusingen. Sang von Liebe und Schmerz, von Schicksal, Verrat, Sina ließ den Kopf gegen die Kopfstütze zurücksinken. Schloß für einen Moment die Augen, um ihre Freude intensiver zu spüren, ließ ihre Zehen im Takt mitwippen, diesmal würden sie nicht in Billy Todds Wohnung zurückkehren. Würden weiterfahren und weiter, mitten hinein in den Horizont. In das verschwommene Blau dahinter: wo sich die schnurgerade Straße verlor.

VII
    Die Operation war gut verlaufen. Das Foltergestell war nicht mehr da. Der Kopfverband war nicht mehr da, nun konnte er sehen, wo man sie genäht hatte. Die Narbe war rotblau. Die Haut um die Narbe war weiß, mit schwarzen Haarstoppeln, ihr Fuß war viel zu klein in seinem Verband: wie die eingebundenen Füße chinesischer Frauen, er wollte das nicht denken. Dachte es jedesmal, wenn er ihren Fuß sah, sie sollte mit ihrem Gehgestell laufen. Wollte nicht. Wollte ihre Armmuskeln nicht trainieren: deren Kraft sie für die Krücken brauchte, sie wollte überhaupt nicht aufstehen. Weinte, wenn er sie beschwor: Willst du denn nicht leben? Willst du nicht gesund werden,
    Weinte, Nein! Nein, es ist mir egal, ich kann nicht, ich will nicht,
    Er sagte, Aber ich. Ich will es, ich verlange es von dir,
    Sie gab

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