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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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hat nicht geklappt. Danach wollte ich überhaupt nichts mehr werden,
    Sie gestand das zum ersten Mal. Er lachte auf, nickte. Sie hörte sich sagen: Ich habe mein Leben absichtlich verplempert. I think I fucked up my life, on purpose,
    Die fremde Sprache neutralisierte die Bedeutung der Worte. Schuf Distanz zwischen Worten und Gefühlen, er akzeptierte, was sie sagte.
    Akzeptierte es wie das Wetter. Oder wie eine Landschaft: die man interessiert betrachtet, ohne nach zusätzlicher Bedeutung zu forschen im offensichtlich Vorhandenen: ein Hügel, ein Wald. Oder ein See vielleicht. Sämigbraunes Wasser, Trauerweiden am Ufer, ihre silbrigen Finger angelnd nach Plastiktüten, Eispapierchen, ein nesselüberwucherter Pfad. Dann ein halbverfallenes Haus, konnte man es instandsetzen, reparieren? Wieder bewohnbar machen,
    Kommt-ein-Mäus-chen-an-das-Häus-chen. Klingelinge-ling! Nock-nock-nock! Kei-ner-da?, Maurice gurrte, wennihre Finger seinen Arm hochwanderten, linkes Ohr rechtes Ohr Nase anstupsten.
    Manchmal holte Jacques seine Messer hervor.
    Holte seine Macheten aus dem Kofferraum des Chevy, jonglierte für die Eisesser in einem Strandlokal. Jonglierte mit Eiern für die Hungrigen, die auf einen freien Tisch warteten vor einem populären Restaurant, riß dabei Witze,
    »Hol doch mal einer eine Pfanne aus der Kneipe! Dann backe ich schon mal ein Omelett«,
    Zog sein T-Shirt aus, seine Schuhe. Jonglierte mit Äpfeln. Biß zwischendurch in einen der Äpfel. Aß den Apfel allmählich auf, während er immer weiter jonglierte, die Leute lachten, klatschten. Eine Fremde sagte zu Sina: »Übrigens, Ihr Kleid ist-wunderschön.«
    Sina war verblüfft. Kannte die Frau nicht, sah an ihrem Kleid herunter: das sie mit Jacques in Fort Lauderdale gekauft hatte, es war aus mehreren Lagen loser Gaze, sandfarben und blau. Jacques entzündete seine Fackeln, in der sich vertiefenden Dunkelheit. Er war ganz entspannt, dennoch konzentriert wie ein Brennglas,
    »He is great!« sagte die Frau neben Sina. »Er ist wirklich phantastisch«,
    Sina sah den Hunger in den Augen der Frau: Jacques The Dark Stranger, er ließ keinen Blick von den Flammen, die ihn gehorsam umstrudelten. Seine Füße schmiegten sich an die Erde. Standen genau dort, wo sie hingehörten: wie Steine oder Wurzeln, er war mager. War kräftig und sonnenverbrannt, wie Sina selbst. Wie ihre Arme und Beine, ihr eigener Körper: den sie fühlte unter dem Kleid, aus der Kneipe drang Musik durch die Nacht, ein stetiger harter Beat. Sina streifte die Schuhe ab. Fühltedie warme Rauhheit des Asphalts unter den Füßen. Fühlte das Kind: sein Gewicht auf ihrer Hüfte, das Kind roch nach Salz. Sina flüsterte: »Schau nur. Dein Vater«,
    Die Finger des Kindes krallten sich in ihr Haar. Das lang war, ungekämmt, verklebt von Meerwasser, Sina bückte sich, hob einen Schuh auf. Jacques löschte jetzt seine letzte Fackel. Löschte sie in seinem Mund, den Kopf in den Nacken geworfen, Sina schritt die Schlange der Wartenden ab. Sah Münzen auf Scheine, Scheine auf die Münzen in ihrem Schuh fallen, hinterher im Auto lachte Jacques laut heraus.
    »Wunderbar!« Wischte sich schweißfeuchte Haarsträhnen aus den Augen. Rief, »Wir sind ein Team! Von heute an sind wir ein echtes Team, du warst wunderbar! Du, mit deinem Schuh in der Hand«,
    Sie lachten beide. Hüpften auf ihren Sitzen herum, schlugen einander auf die Schenkel im Überschwang: als wäre ihnen etwas Grandioses passiert,
    »Und den anderen Schuh habe ich vergessen«, sagte Sina. »Ich habe ihn liegenlassen, vor der Kneipe.«
    Jacques heulte auf vor Vergnügen.
    »Und jetzt kommt der Prinz! Der nächstbeste Prinz, eigentlich wollte er nur Boiled crab legs essen. Und nun steht er da, mit dem Schuh in der Hand. Nun muß er die ganze Gegend durchkämmen, auf der Suche nach deinem schuhlosen Fuß, was bleibt ihm sonst übrig? Das ist sein Job! Aber er wird dich nicht finden, Prinzessin. Er hat sein Leben verpfuscht! Vertan, ruiniert, gleich morgen kaufe ich Schuhe für dich. Die schönsten Schuhe, die es gibt, diesseits des Mississippi«,
    Am nächsten Tag kehrte der Hausherr zurück.
    »Sina, das ist Billy Todd.«
    Seine Koffer blockierten die Haustür. Vor der Sina stand mit ihren Einkäufen auf dem Arm,
    »Billy, das ist Sina. Eine Freundin von mir, ich habe sie mitgebracht, ich hoffe, das ist in Ordnung«,
    Billy Todd streckte Sina die Hand hin. Nahm ihr mit einer Hand die braunen Papiertüten ab: damit sie die andere schütteln konnte,

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