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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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als Baum hätte Knospen bekommen,
    »Timing«, sagte Jeremy. »Richtiger Ort, richtige Zeit, der ganze alte Kram«,
    Sina sagte: »Gebt mir ein Bier. Ich will kein Wasser mehr. Ich glaube, ich bin wieder gesund«,
    Ausgestreckte Hände, Glückwünsche. John kippte Sinas Wasser in sein Bierglas, füllte es neu aus dem Pitcher, Robert sagte: »Champagner. Wir brauchen auf jeden Fall Champagner, unter diesen Umständen.«
    Die Bedienung wischte den Tisch ab, bevor sie servierte,
    »Hat einer von euch Geburtstag oder was«,
    Der Champagner war eiskalt. Glück in Flaschen, im Mund rein und klar und ein wenig bitter, Sina ließ sich feiern. Sah spätabends Johns Hand auf Jeremys Schulter liegen, lachte mit den andern: weil Susan vom Kampf gegen New Yorker Kakerlaken erzählte, Sina spürte Robertneben sich: atmend, gegenwärtig. Auf der Heimfahrt schwiegen sie.
    Sahen in die Nacht, jeder für sich. Waren still miteinander, dann bemerkte Sina es: Die Straßenschilder bestanden darauf, daß P’town im Süden lag.
    Die nördlichste der Cape-Ortschaften, aber da stand es: US-6 southbound to Provincetown, sie kehrte also wieder in den Süden zurück. Sie mußte noch einmal völlig von vorn anfangen.
    Das Boot legte pünktlich vom Fishermen’s Wharf ab. An Bord ein paar ältere Leute, Männer mit Kameras. Zwei junge Paare. Eine Schulklasse, die mit erstaunlicher Disziplin auf den Bänken an Deck sitzenblieb, Sina stand an der Reling. Stützte sich auf ihr gesundes Bein, umklammerte die Reling mit beiden Händen, er hätte sie lieber unten in der Kabine gewußt: Aber sie hatte darauf bestanden, an Deck zu bleiben, dieser Ausflug war ihre Idee gewesen, Die Wale, Robert! Bitte, ich möchte die Wale sehen, von denen Jeremy uns erzählt hat,
    Es war kühl, aber sonnig. Sie trug den Anorak, den Robert besorgt hatte, eine junge Frau sprach in ein Mikrophon. Stellte sich vor: »Molly«,
    Linguistin. Die rein zufällig ans Cape gekommen, dann wegen der Wale geblieben war, sie erforschte die Sprache der Wale. Ihre gedehnten Halbtongesänge, die klangen wie etwas von einer New-Age-CD. Sounds of the Deep oder ein ähnlicher Titel: den ihnen der Lautsprecher nun vorspielte, während sie durch Provincetown Harbour stampften, Molly erzählte von einem verletzten Wal, dem sie Hummerreusen aus den Barten gezogen hatte, um sein Leben zu retten, Robert hörte nur mit halbem Ohr zu. Der Wind war kalt. Sinas Fingerknöchel an der Relingwaren weiß vor Anstrengung, sie umrundeten Long Point. Nahmen Kurs auf den Ort, wo Wale zu finden sein sollten: die Stellwagen Bank, die See wurde rauh.
    Er führte sie übers Deck. Half ihr, sich zu setzen, sie waren jetzt auf dem offenen Meer. Das Boot schlug hart auf den Wellen auf. Flog, prallte auf, er konnte sehen, daß ihr die Stöße weh taten: Sie versuchte, ihr Bein, die Hüfte zu entlasten. Dennoch blieb ihr Gesicht hell. Sie nahm ihn am Arm, deutete nach vorn: Wasser sprühte über das Deck.
    Regenbögen irisierten darin, vergingen wieder, die Sonne verwandelte jeden Tropfen in ein Prisma. Molly sagte,
    »Wir haben unser Ziel erreicht. Dies ist die Stellwagen Bank. Bitte halten Sie von nun an die Augen offen«,
    Das Boot drosselte die Geschwindigkeit. An der Reling Schreie, Gelächter: Eine Welle hatte jemanden durchnäßt. Genau dort, wo Sina und Robert gestanden hatten,
    »Jetzt hast du mich schon wieder gerettet, Robert«,
    Die Lachfältchen in ihren Augenwinkeln aufgezogene Vorhänge. Das Wasser unter dem Boot reißende Seide, Mollys Lautsprecherstimme.
    »Wale!« Jubel, »Wale backbord! Einer, vielleicht zwei Buckelwale«,
    Alles sprang auf. Stürzte an die Reling, er stützte sie, zog sie mit sich über das nässeglitschige Deck. Erkämpfte für sie einen Platz, wo sie sich festklammern konnte, sie schrie auf vor Überraschung: Direkt vor ihnen war der Wal.
    Seufzte tief, sprühte. Die Fontäne trieb weg im Wind. Der riesige Bogen seines Rückens rollte durchs Wasser, dann tauchte die Schwanzflosse auf, behängt mit Schnürenaus Wasserperlen. Glitt in die Wellen zurück wie ein Messer durch Butter,
    »Da, das Kind! Sie hat ein Kind dabei«,
    Das nun den langen weißschwarzen Kopf aus dem Wasser hob, zu ihnen hinübersah, wieder wegtauchte, er fühlte Sinas Aufregung. Fühlte sie durch seine Hände auf sich übergehen, sie sprudelte, schäumte wie das Kielwasser eines Boots: in dem er ein Fisch war, die Motoren begannen wieder zu dröhnen. Sie rief,
    »Ich will in den Bug! Auf das Ding da, den

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