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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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Steg«,
    Der vielleicht einen guten Meter breit war, weit über das Wasser hinausragte, wie sollte sie sich dort halten können? Er wußte, daß es vollkommen sinnlos war, ihr zu widersprechen. Legte den Arm um sie, sie hüpfte auf einem Bein, wie sie es im Haus tat. Hielt sich an der Reling fest, Please excuse me, please, thank you,
    Man ließ sie durch. Die Stöße des Bootes waren bretthart. Er fing sie mit den Knien ab, federnd, sie stand auf einem Bein. War kreideweiß: ein verletzter Storch, er umklammerte sie. Brauchte beide Arme für sie, wie so oft, er versuchte, sich gegen die Seile zu lehnen. Taumelte. Fing sich gerade noch,
    »Whales! Humpbacks, over there, one, two, there’s another one«,
    Der Wal schnellte aus dem Wasser, fast bis zur Schwanzflosse. Tanzte für sie: riesig, riesig, Sina krallte ihre Finger in seinen Arm,
    »Sina, weinst du? Warum weinst du denn, Sina«,
    »Weil ich noch lebe! Weil sie so schön sind, diese riesigen Tiere, ich habe das nicht gewußt! Warum habe ich das nicht früher gewußt«,
    Ein weiterer Walrücken tauchte vor ihnen auf. SchluchzteWasserstaub, glitt zurück ins Meer mit gewaltiger Ruhe. Fontänen trieben über das Wasser: schillernder Regenbogenatem, der über der Gischt verwehte, sie klammerte sich an ihn. Ihr Gesicht war dicht vor dem seinen. War meernaß, tränennaß, jetzt trug er sie fast. Trug sie über eine Schwelle: Sie küßte ihn, wie ein glücklicher Zufall. Die Plötzlichkeit, das Ausmaß seines Hungers nahm ihm den Atem. Er rang nach Luft, einen Moment lang sah er in ihr Gesicht: seltsam verschobene Picassoperspektive, er schloß die Augen. Ihr Mund war wasserkühl, salzig. Bestätigte, was er noch nicht begriff.
    Er fand einen Platz in der Kabine. War froh, daß sofort Leute aufsprangen, der Frau auf seinen Armen ihre Plätze anboten, er legte sie hin. Nahm ihren Kopf in den Schoß, sah auf sie hinunter, eine ältere Dame brachte eine Decke. Ein Mann bot Sina etwas Heißes zu trinken an, sie schüttelte den Kopf, lächelnd mit geschlossenen Augen. Das Boot hatte Kurs zurück auf den Hafen genommen.
    Auf Provincetown: wo er sie in sein Haus bringen würde, er sah aus dem Fenster, über das Tropfen rannen. Lange dachte er an überhaupt nichts. Sagte dann zu ihrem aschfahlen Gesicht: Ich liebe dich. Fand die Worte lächerlich inadäquat. Wiederholte sie dennoch, ein-, zweimal, erwartete keine Antwort: Sie schlief. Die Aufregung, der Rausch überwältigten ihn.

IX
    Meer. Wind. Himmel. Um jede Wolke, um jedes Blatt eine flirrende Aura aus Licht, Sina ist allein. Sie steht auf dem Widow’s Walk, den Robert gebaut hat. Auf dem Dach: zu dem er sie mit hinaufgenommen hat, an ihrem ersten schmerzfreien Tag, wie hat sie die Treppe allein bewältigt? Sie steht auf ihrem gesunden Bein. Auf den Zehenspitzen, Musik sprudelt von unten durch das Haus herauf: Tschaikowsky, mit einer Hand hält sie sich am Geländer fest. Die andere hebt sie langsam, langsam, in einem Bogen, der sich perfekt anfühlt wie ein Schwanenflügel.
    Noch einmal.
    Noch einmal.
    Dünner Salzwind, auf schweißfeuchter Haut. Der Himmel über ihr ist ungeheuer hoch, hitzesilbern. Ebbe in der Bucht.
    Robert im Supermarkt.
    Robert mit Tomaten in einer Tüte, Brot, er will später Fisch grillen. Thunfischsteaks, Tomatenlimettenchutney dazu, aus den Supermarktlautsprechern dudelt Musik. Robert hat sein eigenes Lied im Kopf. Die Musik zu seinem eigenen Film: Er hat mehrere, hat eine Fülle von Liedern zur Auswahl,
    Ach Robert, ich bin so froh,
    Du machst mich so froh, Robert, ich liebe dich, ich bin froh,
    Hör auf, Robert! Bitte hör auf, ich kann einfach nicht mehr lachen, du hast den schönsten Mund der Welt, Robert. Küß mich, küß mich, mit deinem wunderschönen Mund,
    Robert hat ein Stück Käse in der Hand. Was könnte man denn als Appetizer servieren? Gefüllte Muscheln vielleicht, Avocados mit Pfeffer und Chilantro, hat Robert Olivenöl besorgt? Was hat Robert denn vor mit dem Rest seines Lebens? Der Architekt Robert Brauer: Will er die dreihundertste Frittenbude am Strand von Hyannis eröffnen? Oder bei Painter’s in Wellfleet als Kochlehrling anheuern, Robert geht über den Parkplatz am Fishermen’s Wharf.
    Robert sieht hinüber zum Seesteg: Unser Seesteg. Unsere Kneipe in Wellfleet, Unsere-Orte, Roberts Privatmusik wechselt,
    Ich glaube, es war am Fishermen’s Wharf, Robert. Ich glaube, dort habe ich mich in dich verliebt,
    Oder in der Kneipe in Wellfleet. Als ich dich ansah,
    Als ich

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