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Meer ohne Strand

Meer ohne Strand

Titel: Meer ohne Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Friedrich
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mir aus bleib hier«, sagte Robert zu Jacques. »Wenn sie will, daß du bleibst, dann bleib eben hier, es ist ohnehin vorbei mit dem Traumpaar«,
    Trauer und Sehnsucht stiegen in seiner Kehle hoch wie Sodawasser. Und warum stand er immer noch hier?
    Warum spielte er mit dem Ring einer nicht mehr zu öffnenden Coladose, statt zu ihr zu gehen und sie in die Arme zu nehmen? Statt wenigstens gemeinsam mit ihr zu heulen, er ließ den Ring auf die Tischplatte fallen. Jacques hob die Schultern, bohrte die Fäuste in die Taschen. Sagte,
    »Na ja. Vielleicht ganz gut so. Traumpaare, mit denen endet es doch meistens schlecht. Das sind doch solchewie Romeo und Julia, oder? Solche wie Courtney Love und Kurt Cobain.«
    Beschwörungen, Schwüre. Versöhnungsgestotter. Umarmungen, im jalousienstreifigen Halbdunkel. Umklammerungen, immergleiche: ob aus Liebe, aus Gier. Aus Hingabe, Wut, roher Gewalt, eiskühlem Kalkül, dann später Stille. Lange Atemzüge. Noch später klickende Feuerzeuge. Ein leises Lachen,
    »Du bist mein Märchenprinz, ob du nun willst oder nicht. Du bist und bleibst mein Ritter«,
    Haut, die sich an Haut reibt, Küsse. Ein Räuspern in der neuerlichen Stille,
    »Und Jacques? Was ist der denn, etwa auch ein Ritter«,
    »Quatsch. Jacques? Ein kleiner Bruder vielleicht. Vielleicht brauche ich drei Männer. Den Ritter, den Bruder. Und den kleinen Sohn«,
    Robert, und die beiden anderen. Die Robert nun zu seinen eigenen machen mußte, und war das nun die Liebe? Sich anzueignen, was man am anderen schwer ertrug: bis man so unwillkürlich für ihn Partei ergriff wie sonst nur für sich selbst, Robert hatte sich endlich entschieden.
    Hatte sich gegen die Romanze entschieden und für Sina Fischer. Für diese eine bestimmte Frau: also für Mißverständnisse, Alltagskompromisse. Für Heizungsrechnungen, Käufe von Wintermänteln, für Geburtstags-Champagner und vergessene Jubiläen. Für Heiratspläne womöglich, Zwillingsgeburten. Für das Unterzeichnen von Kontovollmachten, Versicherungsportfolios, eventuellfür mehr und mehr Schmerz. Auf jeden Fall für ausfallende Haare, wackelnde Zähne. Für die Gerüche alternder Körper, für Fernsehabende und schrillende Wecker und Bügelwäsche, für abendliches Radieschenessen auf dem Balkon. Für gemeinsames Gelächter, über einen Privatwitz. Für Verschwörerblicke, über die Köpfe aller anderen hinweg, für Sommergewitter draußen vor dem Dachfenster, eilige glückliche Winterküsse bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße, zu kurz, als daß der Schnee in ihrem Haar hätte schmelzen können, für Lug und Betrug, möglicherweise. Für zerschellende Gläser, zorniges Schweigen. Für die bittere, bittere Trauer dessen, der am Ende übrigblieb: Robert hatte sich für all das entschieden. Und hätte er die Geschichte jetzt zurückdrehen wollen?
    So daß er sie nie kennengelernt, ihr dafür all ihr Leiden erspart hätte: Ja, das hätte er sofort getan. Und wäre anschließend daran verzweifelt.
    »Ich kann das machen, Robert. Ich kann doch das Frühstück machen«,
    Jacques. Der in der Küche auftauchte, einigermaßen verschlafen,
    »Komm, laß mich doch. Ich mache prima Pfannkuchen, wirklich«,
    Robert trat vom Herd zurück. Machte eine einladende Handbewegung. Übertrieb die Geste: zog sie ins Lächerliche, war das eigentlich nötig? Etwas zupfte an seinem Hosenbein: Maurice. Der fordernd zu ihm hochsah,
    »Er will laufen«, sagte Jacques. »Den ganzen Tag lang will er nichts als laufen«,
    So war das also: Sie lernten gleichzeitig laufen, Sina und Maurice, Sina tauchte in der Küche auf.
    Sah Jacques mit dem Pfannkuchenwender am Herd, pfeifend. Robert mit Maurices Händen in den seinen. Im Entengang hinter dem Kind hertorkelnd.
    Später fuhren sie nach Provincetown. Gingen über die Commercial Street, im Café am Fishermen’s Wharf saßen John und Jeremy. Red blaffte, juchzte. Sabberte, tanzte,
    »Wo habt ihr denn gesteckt!«
    »Na und ihr, wo wart ihr«,
    Umarmungen. Küsse links und rechts, Stühlerücken,
    »Wir wollten sowieso demnächst zu euch rüberkommen«,
    »Jacques? Das ist Jacques? Doch nicht etwa der Jacques! Doch nicht Sinas Jacques, das ist ja ein Ding, los, kommt, erzählt«,
    Jeremy sagte: »Wo ist eigentlich Susan?«
    Auf dem Deck. In ihrem Stuhl in der Abendsonne, Susan, Sina und Jacques palen Erbsen. Lachen über etwas,
    »Und ich sage, Tante, wieso schmeckt es eigentlich immer allen so gut bei dir? Und sie antwortet: Mein lieber Junge. Ich koche

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