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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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Ausbeutung mit an oberster Stelle. Neue Arten brachten im besten Fall neue Wirkstoffe für Pharmaindustrie oder sonstige Möglichkeiten, die jeweiligen Lebewesen gewinnbringend zu nutzen.
    Nach wie vor ruhelos stand er auf und ging zur Reling. Umgeben von all diesem Wasser, ein fernes Echo der Stimmen im Kopf, fiel es schwer, Schlaf zu finden. Er konnte sich nicht sattsehen am Spiel des Wassers. Pechschwarz war der Spiegel desMeeres. Außerhalb der schäumenden Kaskaden, die die Schiffsschrauben aufwarfen, wellte es sich wie Seide, geschmückt vom Widerschein der Sterne und einem sonderbaren Leuchten, das hier und da durch die Oberfläche drang. Es ähnelte zusammengeklumpten, glühenden Kohlen. Dann wieder glomm etwas im Wasser, das einem großen, orangegelben Auge glich.
    Unzählige Tiefseewesen kamen an die Oberfläche, um zu fressen. Die größte Wanderung dieses Planeten. Welche wundersamen Geschöpfe würden sich ihm offenbaren, wenn er hier und jetzt ins Wasser ginge? Kaum ließ er diesen Gedanken zu, wurden die Stimmen in seiner Wahrnehmung lauter. Er klammerte sie aus, drängte sie in den Hintergrund und verspürte Triumph, als tatsächlich Stille einkehrte. Die Wesen gehorchten ihm, obwohl ihre Ungeduld wuchs.
    Christopher sah sich um. Hinter ihm an der Wand war eine Leiter befestigt. Ihr oberes Ende passte vermutlich in die beiden Löcher vor dem Teil der Reling, der offen war. Bei dem Gedanken, mit ihrer Hilfe ins Wasser zu gelangen, wurde ihm heiß und kalt vor Verlangen. Das Schiff bewegte sich langsam, er würde sich problemlos an der Leiter festhalten können. Falls ihn jemand entdeckte, würde er behaupten, ihn hätte die Lust auf ein Bad gepackt. Andererseits hingen überall Belehrungen, dass das Schwimmen ohne Erlaubnis strikt verboten war. Würde man, da jeder Einzelne auf diesem Schiff ihn als Ehrengast zu betrachten schien, Milde walten lassen?
    Stimmen ließen ihn herumfahren. Drei Matrosen stiegen auf das Deck, schlenderten an der Reling entlang und pafften bleichen Zigarettenqualm in den Nachthimmel. Ein paar Mal wandten sie sich um und betrachteten ihn neugierig.
    Drei Tage, hatte Maya gesagt. Drei Tage, bis er seinem Verlangen nachgeben konnte, ohne eine Entdeckung zu befürchten. Er schloss die Augen und versuchte zu entspannen. Doch kaum hielt zaghafte Ruhe Einkehr in seinen Geist, hörte er statt seiner Artgenossen die Wale singen. Sie waren zurückgekehrt. In einiger Entfernung zum Schiff durchmaßen sie das Wasser und riefen nach ihm, nicht fordernd, sondern mit spielerischer Unschuld. Aufmerksam lauschte er ihren Lauten. Es war keine Sprache, wie sie Menschen benutzen. Keine Worte, sondern Empfindungen. Sie tauchten in ihm auf, so deutlich und unmissverständlich, so wunderbar einfach und klar, dass es ihn über alle Maßen entzückte. Eine Zeit lang lauschte er ihrem Gesang, während Bilder seinen Geist durchzuckten. Eindrücke von Wanderungen durch die Meere dieser Welt. Erinnerungen an Tod, Familienglück und wilde Kämpfe, viele von einer Intensität, die menschlichen Emotionen in nichts nachstand oder sie gar übertraf.
    Die Tiere wollten, dass er zu ihnen kam. Sie lockten und riefen ihn, so wie die See ihn lockte und rief, doch als er ihnen in Gedanken vermittelte, warum er in der Welt aus Luft und Erde blieb, verfielen sie in Schweigen. Da war keine Wut oder Enttäuschung. Nur das Wissen, dass sie nichts weiter tun mussten, als zu warten.
    Wenn Maya doch nur teilhaben könnte an allem, was er fühlte. Über ihm glommen Millionen Sterne am Firmament, und während er dort hinaufblickte, erschien ihm die Weite des Alls noch unbegreiflicher als die des Ozeans. Alles erschien magisch und unbegreiflich, und er war ein Teil dieser Magie.
    Lange stand er an der Reling, bis sich nähernde Matrosen ihn wieder in den Schutz der Container trieben. In der Hoffnung, nicht entdeckt zu werden, rollte er sich in seine Decke ein und verharrte still. Die Stimmen der Männer entfernten sich, das Schweigen der Nacht hielt wieder Einkehr. Er verschränkte die Arme unter dem Kopf, starrte zum Himmel und genoss den Gedanken daran, wo er war. Am anderen Ende der Welt, auf dem größten Ozean dieses Planeten. Und dabei, sein Schicksal zu erfüllen.
    „Schau an“, murmelte jemand. „Was haben wir denn da? Einen blinden Passagier? Du weißt schon, dass man die im Fall ihrer Enttarnung über Bord wirft?“
    Schlagartig öffnete er die Augen. Das Gesicht des Schiffsarztes schwebte über ihm,

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