Meeresblau
mal von einem Schnabeltier gestochen wurde, musste ich mich dran gewöhnen.“
Er musste lachen. „Ein Schnabeltier hat dich gestochen?“
„Yepp. Die Männchen besitzen an den Hinterbeinen Sporne, die während der Paarungszeit Gift absondern. Leider kam ich dem Vieh ausgerechnet zu dieser Zeit in die Quere. Die Schmerzen sind unbeschreiblich. Nicht einmal hoch dosiertes Morphium hilft dagegen. Und das Beste ist, dass sie monatelang anhalten können. Wenn man Pech hat.“ Ihre Hände begannen zu zittern.
„Ganz ruhig“, flüsterte er. „Nicht so nervös.“
„Du hast gut reden.“ Sie atmete tief durch, klopfte auf seine Armbeuge und betrachtete versunken das Pulsieren der hervortretenden Vene. „Faszinierend.“ Ihre Stimme war wie ein Säuseln.
Mit der Spitze ihres Zeigefingers berührte sie das malvenfarbene Blutgefäß und sah versunken aus. Christopher wusste, woran sie dachte. Die Nacht im Hotel. Der Regen und der Duft nach nasser, heißer Haut. Er konnte ihre Gefühle spüren, als wären sie auf magische Weise miteinander gekoppelt. Es war wie in jener Nacht im Meer, als er in die Seele des Hais geblickt hatte. Nur vermittelte ihm Maya keine Bilder.
„Wenn du so weitermachst“, tadelte er, „sitzen wir übermorgen noch hier.“
„Verzeihung.“
Zwei Sekunden später floss sein Blut in den Kolben, ganz normal aussehend, klammerte man den Umstand aus, dass es ihm zu dickflüssig erschien. Maya presste die Lippen aufeinander, während sie darauf wartete, dass das Gefäß sich füllte. Dann zog sie die Nadel heraus, löste das Gummiband um seinen Oberarm und legte alles zurück auf das Tablett.
„Und?“ Zitternd presste sie einen Wattebausch auf den Einstich und bemühte sich kläglich, ihre Aufregung zu kaschieren. Aber selbst wenn sie eine perfekte Schauspielerin gewesen wäre, hätte er sie durchschaut wie ein Gefäß aus Glas.
„Was und?“
„Wie war ich?“
Er grinste. „Als Frau Doktor bist du unwiderstehlich.“
Sie hustete in ihre zur Faust geballte Hand. Ihr Gesicht glühte. „Ich fühle mich eher wie eine irre Wissenschaftlerin, die arme Fische seziert.“
„Was wirst du da drin alles sehen?“
„In deinem Blut?“
„Ja.“
„Alles Mögliche. Das erkläre ich dir später. Jetzt brauch ich noch ein Stückchen Haut und eine Schuppe. Falls sie noch da sind.“
„Sind sie.“
Sie nahm ein Fläschchen und eine weitere Spritze, diesmal mit feinerer Nadel. Konzentriert zog sie einige Milliliter der klaren Flüssigkeit auf, klopfte gegen den Kolben und drückte den ersten Strahl heraus. „Das hier betäubt die Stelle“, beeilte sie sich zu erklären. „Du wirst nichts merken. Der türkisfarbene Stift ist eine sogenannte Hautstanze. Es ist so ziemlich das Schärfste, was Alan zu bieten hat.“ Sie verkrampfte sich und deutete auf sein T-Shirt. Am liebsten hätte er sie hier und jetzt mit Küssen überschüttet. „Das musst du ausziehen.“
Er gehorchte, ließ das Kleidungsstück zu Boden fallen und genoss Mayas weit aufgerissene Augen, als er halb entblößt vor ihr saß. Ihre Bewunderung zu spüren war aufregend.
„Oh Mann“, ächzte sie. „Wohin ist meine Selbstdisziplin entschwunden? Wohin hat sich die Wissenschaftlerin geflüchtet, die das hier ohne mit der Wimper zu zucken erledigt hätte?“
Er seufzte unwillkürlich. „Maya, du bist herrlich.“
„Hm.“ Ihr Blick war auf seine Brust fixiert. Das Muster begann wieder zu schimmern, ein untrügliches Zeichen seiner Erregung. „Ich habe nicht das Recht, das hier zu tun. Eine Narbe wird bleiben. Nur wegen mir. Ein Makel auf dieser wundervollen Haut.“
„Unsinn.“ Langsam bekam er Lust, sie durchzuschütteln. „Meine Heilungskräfte sind ziemlich ausgeprägt. Außerdem scheinst du zu vergessen, dass du nur meine Bitte erfüllst. Jetzt mach schon.“
Sie nickte verkrampft, suchte eine Stelle über dem rechten Brustmuskel aus und tat das Nötige. „Gleich müsste es taub werden.“ Maya ergriff die Stanze. „Wenn ich Glück habe, kann ich dir erklären, wie das Leuchten zustande kommt.“
„Das wäre fantastisch.“
Sie runzelte die Stirn. „So, jetzt ist es raus. Ich mache das hier nicht nur, um dir zu helfen oder um deine Bitte zu erfüllen. Ehrlich gesagt platze ich vor Neugier.“
Jetzt kam er nicht umhin, ihr liebevoll das Haar zu zerzausen. „Du bist, was du bist, meine Lieblingsforscherin.“
„Na wunderbar. Hast du das grade gemerkt?“
„Was?“
„Genau das wollte ich hören.
Weitere Kostenlose Bücher