Meeresblau
werden.“
Jeanne erbleichte. „Dann ist es nicht aufzuhalten? Irgendwann kann er gar nicht mehr an der Luft leben?“
„Gar nicht mehr würde ich nicht sagen. Ich tippe vielmehr darauf, dass er am Ende seiner Verwandlung nur noch kurzfristig auf Lungenatmung umschalten kann und der Schwerpunkt auf Hautatmung liegt.“
„Hast du sonst noch was herausgefunden? Was Hilfreiches? Vielleicht eine Möglichkeit, es zu verlangsamen?“
„Nein“, sagte sie mit gesenktem Blick. „Natürlich werden alle Vorgänge von bestimmten Hormonen oder sonstigen chemischen Stoffen gesteuert und können manipuliert werden, aber ebenso gut könnte man versuchen, eine Raupe daran zu hindern, sich zu verpuppen und ein Schmetterling zu werden.“
„Das wäre eine Forschungsaufgabe für Jahre.“ Hatte er etwas anderes erwartet? Gar ein Wunder? Diese Erkenntnisse überraschten ihn nicht, und doch durchfuhren ihn Wellen kalten Schreckens. Was, wenn er Maya und Jeanne verlassen musste? Was, wenn seine Veränderungen es ihm unmöglich machen würden, bei ihnen zu bleiben? Seine Stärke war nur Einbildung, das war ihm bereits vor Augen geführt worden. Sein Wille konnte jederzeit brechen.
„Eine Anomalie zeigt sich auch bei den Thrombozyten und den neutrophilen Granulozyten“, fuhr Maya fort. „Das lässt auf eine außerordentliche Heilungskraft deines Körpers schließen. Mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Gezwungenermaßen war alles oberflächlich, und ich möchte hier auf dem Schiff auch nicht in die Tiefe gehen. Wie auch immer, wir müssen arbeiten. Kommst du mit?“
Er blickte auf seine Hände. Schon wieder zeigte seine Haut Anzeichen von Austrocknung. „Später“, antwortete er. „Ichverschwinde erst mal unter die Dusche.“
„Wusstest du, dass der weiße Korallensand, auf den alle so stehen, zu einem großen Teil das Verdauungsprodukt von Papageifischen ist?“ Maya ließ das Seil kurz los, um ihrem Schutzhelm zurechtzurücken. „Klingt nicht besonders appetitlich, was?“
Jeanne schüttelte den Kopf, während sie zusah, wie sechs Männer und Maya damit beschäftigt waren, ein riesiges Metall-monster mithilfe einer Schiene, mehrerer Seile und eines Krans ins Wasser zu bugsieren.
„Aber genauso ist es.“ Ihre Stimme wurde fast übertönt vom Kreischen schabenden Metalls. „Papageifische fressen die Korallen und verdauen sie zu feinstem, weißem Sand. Ein Schwarm dieser Tiere kann an einem einzigen Riff mehrere Tonnen produzieren. Der Korallensand lagert sich im Laufe der Zeit an den Stränden ab und dient dicken Touristen als Unterlage.“
„Langsam!“, brüllte jemand. „Das Ding bricht nach rechts aus.“
„Verdammtes Mistding“, fauchte ein anderer. „Hundekacke, verfluchte. Wo sind die anderen, wenn man sie braucht?“
Ihre Gedanken blieben nur kurz bei der Sache. Im Geiste sah sie Christopher unter der Dusche stehen. Wassertropfen perlten über seine Brust, Hände verteilten cremigen Schaum und schwarzblaue Haare klebten auf seiner Haut. Himmel, könnte sie doch nur bei ihm sein. Sie würde dafür sorgen, dass jeder Millimeter seines Körpers eingeschäumt wurde.
Es war, als litte sie unter einem Fieber, das jede Aussicht auf Konzentration zunichtemachte. Immerhin wurde ihr jetzt klar, warum er dieses sauteure, rein pflanzliche Duschgel benutzte. Alles andere verpasste ihm wahrscheinlich einen Ausschlag allererster Güte.
„Verdammt, Mawatha.“ Robin, ein semmelblonder Ozeanograf aus Baltimore, verpasste ihr einen Stoß. „Wo bist du in Gedanken? Halt das Ding fest.“
Sie packte zu, doch es war zu spät. Etwas zerriss. Der Messroboter kam in Bewegung, glitt über die Schiene und stürzte in die Tiefe. Eine Fontäne ergoss sich in einem gigantischen Schwall über Deck und durchnässte sämtliche Anwesenden.
„Scheiße.“ Robin stampfte wütend auf. „Scheiße, verdammte.“
Sanft taumelnd verschwand der Roboter im Blau der Tiefe. Ein sorgenvolles Raunen ging durch die Menge.
„Das hätte so was von schiefgehen können“, fauchte der Ozeanograf. „Glücklicherweise ist nicht das Kabel zerrissen. Was ist nur in dich gefahren, Mawatha? Wo warst du?“
„Sorry, mit den Gedanken woanders.“ Maya fixierte Robin. Bei dem Gedanken, um ein Haar Schuld an der Zerstörung eines sündhaft teuren Geräts gewesen zu sein, drohten ihre Knie nachzugeben. Doch das würde er nie erfahren. „So was passiert eben.“
„Ach ja?“ Robin wurde rot vor Empörung. „Hat dieses Pech zufällig
Weitere Kostenlose Bücher