Meeresblau
etwas mit deinem schwarzhaarigen Schönling zu tun? Oh Verzeihung, ich meinte unseren Ehrengast aus St. Andrews.“
„Wie bitte?“ Ihre Contenance wankte. „Was soll das jetzt schon wieder?“
„Wir kennen dich als fehlerlose Halbgöttin, die so was hier“, er umschrieb in einer ausholenden Geste die Szenerie, „mit links meistert. Sollte an deiner Unkonzentriertheit also zufällig dein Heiliger Gral auf zwei Beinen schuld sein, schlage ich vor, ihm für die restlichen drei Monate fernzubleiben. Sonst gibt es noch Tote.“
Maya zwang sich zu einem Lächeln, nachdem Robins Bezeichnung für Christopher ihr das Blut aus dem Gesicht hatte sacken lassen. „Willst du mir etwa drohen? Wer ist hier der Chef?“
„Du“, gab der Ozeanograf zerknirscht zu.
„Genau. Also Schluss mit dem Gerede. Ich seile mich jetzt erst mal eine Runde ab. Und falls du wissen willst, warum: Ich habe die ganze Nacht durchgearbeitet.“
„Aha.“ Robin mahlte übellaunig mit dem Kiefer. „Denk aber dran, dass heute Abend noch gefeiert wird.“
„Gefeiert? Was denn?“
„Silvester, du Knallfrosch. Hast du es wieder verschnarcht?“
„Heute?“ Sie hatte sich auf eine ruhige Nacht gefreut. Ruhig in dem Sinne, dass sie die dunklen Stunden mit Christopher in ihrer Koje verbracht hätte, um das zu beenden, was sie eben in ihrer Kajüte hatten unterbrechen müssen. Doch schmiss die Mannschaft auf dem Schiff eine Feier, war es illusorisch, auf ein stilles Örtchen zu hoffen.
Alan saß vor dem schnurrenden Computer und wog das Für und Wider eines Verrats ab. Natürlich vertraute Maya ihm. Sie vertraute ihm sogar in einem Maße, das ihm unangenehm war, wusste er doch bis heute nicht, ob er ein guter Mensch war oder nicht.
„Okay, verzeih mir. Aber ich muss es tun.“
Er knackte mit den Fingerknöcheln und wälzte ein paar obligatorische Gewissensbisse. Dann klickte er so lange auf die Maus, bis er im Ordner mit den Sicherungskopien angelangt war. Nachdem Maya derart leidenschaftlich gebettelt hatte, sein Refugium betreten zu dürfen, hatte er den Laborcomputer so eingestellt, dass er Sicherungskopien von allen Daten anfertigte. Diese Kopien blieben praktischerweise auch bestehen, wenn alles andere gelöscht wurde. Wie Maya es getan hatte. Ihr Plan wäre zweifellos aufgegangen, hätte er über etwas weniger Computerwissen verfügt.
„Hm, was haben wir denn da? Ein großes Blutbild und zwei Hautproben. Okay, mal schauen.“
Er klickte auf das gelbe Köfferchen, nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse und beugte sich vor, um die auf dem Bildschirm erscheinende Tabelle zu studieren. Zunächst war er lediglich verwirrt von dem, was sich ihm darbot. Eine Anomalie, so so. Genau genommen waren die Werte derart abgefahren, dass es in den Bereich des Unmöglichen abdriftete. Die Proben mussten verschmutzt sein. Er kannte keine Krankheit, die die Referenzbereiche derart durcheinanderwarf. Wie tief er auch in seinem Wissensschatz wühlte, ihm fiel nichts Befriedigendes zu diesen Ergebnissen ein. Was zum Teufel war los mit Chris? Litt er unter einer tödlichen Krankheit? Gar einer ansteckenden? Auf einem Schiff würde das auf eine Katastrophe hinauslaufen.
Ratlos klickte er auf das nächste Köfferchen, um die Ergebnisse der ersten Hautuntersuchung zu studieren. Dieselben waren vollkommen unmöglich. Er klickte weiter. Unfassbar. Vor sich sah er eine Zellstruktur, über die kein Mensch verfügen konnte.
Seine Tasse rutschte aus der Hand. Sie zersprang auf dem Boden und entlockte ihm ein Stöhnen. Es war seine Lieblingstasse. Sein kleines Heiligtum mit dem grauen Alienkopf und der Aufschrift
Die Wahrheit ist irgendwo dort draußen
. Wenn das nicht passte. Die Wahrheit … verdammt, seine Neuronen streikten. Er wühlte sich weiter durch die Daten. Schließlich, als er etwas von Biolumineszens las, sank er geplättet im Stuhl zurück.
„Maya, du fiese Kröte. Ich glaube, ich muss dir die Hammelbeine lang ziehen. Aber ganz gewaltig.“
Sie suchte ihre Kabine auf, zog den Kittel aus und tauschte ihn gegen eine Jeans und ein graues Hemd. Dann schlich sie zu Christophers Koje und öffnete nach zweimaligem Klopfen vorsichtig die Tür. Ein aufgeklapptes Buch namens
Utopia
lag auf seiner Brust. Offenbar schlief er tief und fest, was nicht verwunderte, denn er hatte den Tag damit verbracht, die erste Reihe Wasserproben aufzubereiten und die Gleiter zu programmieren. Eine gelöste Stimmung herrschte an Bord. Lag es an Christopher und an der
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