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Meeresblau

Meeresblau

Titel: Meeresblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauß
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ist passiert?“ Alan stand hinter ihr, ohne dass sie ihn kommen gehört hatte. Sanft legte er eine Hand auf ihren Rücken. „Ist er fort?“
    Sie nickte. Der Kloß im Hals verwandelte sich in eine scharfe Klinge. Ihr Blick schweifte zu den Rettungsbooten.
    „Vergiss es“, würgte Alan ihren Gedanken ab. „Sie würden es merken. Und dann machst du alles nur noch schlimmer.“
    Maya presste eine Hand auf den Mund, Tränen liefen über ihre Wangen. Verloren … weg … für immer. Die Wahrheit stach wie Eissplitter in ihr Bewusstsein. Christopher war irgendwo dort draußen, in einer Welt, in die sie ihm nicht folgen konnte.
    „Glaub mir.“ Alan schloss sie in seine Arme. „Er wird dich nicht vergessen. Nicht einmal als Fisch. Ihr beide seid füreinander geschaffen. Das wusste ich, seit ich euch das erste Mal zusammen gesehen habe. Und jetzt komm, bevor noch irgendwer Verdacht schöpft.“
    „Was sollen wir sagen?“
    „Nichts“, erwiderte Alan. „Wir sagen gar nichts. Weil er zurückkommen wird.“

    Da war tiefes Blau. Lichtspiele tanzten auf der Oberfläche und sandten schimmernde Säulen in das Wasser. Wolken aus Fischen huschten umher. Felsgrate ragten aus finsterer Tiefe. Während er auf das in der Ferne auftauchende Riff zuschwamm, drehten die Wale ab und blieben in der Weite des offenen Meeres.
    Abertausende Wesen tummelten sich zwischen den Korallenbänken. Ein wahrer Farbenrausch hüllte ihn ein. Er wurde nicht müde, die Stärke und Gewandtheit seiner neuen Gestalt zu genießen und umherzutollen wie ein Kind. Fische umkreisten ihn, ließen sich zutraulich berühren oder erforschten ihn ihrerseits. Ein blauer Zackenbarsch nahm ihn in Augenschein, schwarz-weiß gestreifte Muränen umschlangen seine Arme. Er erkundete Unterwasserhöhlen, ruhte für ein paar Momente in ihrer Dunkelheit aus und erforschte die seltsamen Wesen, die sich darin verborgen hielten.
    Von fern drangen die Stimmen zu ihm vor, doch er ignorierte sie. Weder wagten sich seine Artgenossen hinauf an die Oberfläche noch empfand er Lust darauf, in die finstere Tiefe abzutauchen. Übermütig tauchte er in einen Schwarm aus glänzenden Goldmakrelen ein, ließ sich von ihren Lichtspielen die Sinne verwirren und sank, als ihm allzu schwindelig wurde, zum Grund hinab.
    Dösend im Korallensand liegend beobachtete er das Treiben. Blumentiere filterten mit ihren Tentakeln das Plankton aus dem Wasser. Röhrenwürmer fuhren ihre karmesinroten Kiemen aus, zwei violette Meeresschnecken mit zitronengelben Auswüchsen krochen über eine Hirnkoralle. Über purpurnen Schwämmen spielten Seepferdchen und ein Krake nahm ihn von seiner Höhle aus in Augenschein. Gedankenlos ließ er sich treiben, ruhte auf dem weichen Sand und tauchte die Finger hinein. Irgendwann zogen dunkle Wolken über dem Wasser auf. Ihre Ränder glühten im letzten Sonnenlicht, das Meer wurde still und holte tief Atem. Nach erwartungsvollen Momenten der Ruhe öffneten sich die Schleusen des Himmels und ließen Regen auf das Wasser herabprasseln. Die zuvor schweigende Welt erfüllte sich mit ohrenbetäubendem Rauschen.
    Als er das Ende des Riffs erreichte und sich nur noch gewellter Sand unter ihm erstreckte, brach bereits die Nacht herein. Im Schutz der Dunkelheit wuchsen die Korallenbänke auf wundersame Weise. Sie dehnten sich aus, zeigten unzählige winzige Tentakel und begannen, Plankton aus dem Wasser zu filtern. Die Jäger der Nacht kamen herbei. Haie, Rochen, Kraken und Muränen. Der Regen geriet zur Sintflut als Geräuschkulisse für eine gespenstische Welt, in der das Gesetz aus Fressen und Gefressenwerden gnadenlos regierte. Blutgeruch breitete sich im Wasser aus. Zu viel Angst, zu viel Tod.
    Er ließ das Riff hinter sich und kehrte zu den Walen zurück, zog sich auf den Rücken eines Bullen, der an der Oberfläche ruhte, und ließ die Tropfen auf sich hinabprasseln. Das Wogen der See schläferte ihn ein. Er träumte von Maya und Jeanne, sah sie lachen und hörte ihre Stimmen. Als er erwachte, lag er noch immer auf dem Rücken des gemächlich dahinschwimmenden Tieres und die Erinnerungen waren zurückgekehrt.
    In all ihrer Schärfe.
    Ungläubig blickte er an sich hinab. Sein Körper war noch immer der einer Sagengestalt. Es jetzt zu sehen, bei klarem Ver-stand, stürzte ihn in tiefe Fassungslosigkeit. Er berührte die silberne Haut und die Schuppen, drehte sich auf die Seite und untersuchte die Flosse, die auf der Rückenlinie des Fischleibes wuchs, betastete die

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