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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Beiboot driftete ab, wobei es die Leine hinter sich herzog. Ihr Magen schlug einen Purzelbaum.
    »Oh!«, rief sie. »Hol es zurück, bevor es ganz abtreibt.«
    »Lass es gut sein.«
    Aber das konnte sie nicht.
    Das Meer zischte und schäumte. Das Beiboot tanzte im Flachwasser auf und ab.
    Sie packte Conn am Arm. »Bitte. Beeil dich. Es treibt ab.«
    Er stand wie zur Salzsäule erstarrt.
    Das Boot wurde von einer Welle erfasst und aufs offene Meer hinausgetragen, und mit sich nahm es all ihre Hoffnungen auf ein Entkommen. Auf Heimkehr.
    Mit einem Protestschrei der Wut und Angst tat sie einen Schritt ins Wasser.
    Schock.
    Kälte. Sie griff nach ihren Füßen, kroch in ihre Knochen, wand sich ihre Beine und ihren Rumpf hinauf, hüllte sie in schwere Schauer, breitete sich in ihrem Innern aus und quetschte ihre Brust zusammen. Ihr keuchender Atem stach wie ein Messer in ihre Lungen. Sie geriet ins Wanken.
    Das Boot hüpfte immer weiter von ihr weg.
    Sie schluchzte und biss die Zähne zusammen. Sie würde nicht untergehen. Ganz bestimmt nicht. Sie unterdrückte alles, schob es beiseite und watete vorwärts. Die Regenjacke flatterte und schlackerte um ihren Körper. Das Wasser reichte ihr nun bis zu den Knien. Ihren Oberschenkeln. Ihren Hüften. Die Schauer schüttelten sie, wie eine große Schlange, die gerade erwachte.
    Dort.
Ganz nah. Sie schleuderte den Arm nach vorn, streckte die Hand aus und griff, griff, griff zu … Die Leine schwamm gerade außerhalb ihrer Reichweite auf dem Wasser. Etwas in ihr brach zusammen, Hoffnung oder eine Mauer, und was auch immer auf der anderen Seite lauerte, sprang durch die Öffnung und strömte nach draußen.
    Das Wasser sang. Eine kleine Welle formierte sich. Die Leine bewegte sich, erhob sich, glitt auf ihre wartende Hand zu.
    Ich habe sie.
    Ihr aufflackernder Triumph verdrängte alles andere.
    Sie drehte sich im Wasser um, das ihr nun fast bis zu den Hüften reichte. Ihr war kalt. So kalt. Ihre Glieder zitterten wie Espenlaub. Ihre Finger und Zehen fühlten sich taub an.
    Conn beobachtete sie vom Strand aus. Er wirkte seltsam aufgewühlt.
    Machte er sich etwa Sorgen um sie?
    Die bloße Möglichkeit beschwor ein warmes Glühen unter ihrem Brustbein herauf.
    Sie brachte ihre klappernden Zähne so weit auseinander, dass sie rufen konnte: »Alles in Ordnung. Mir geht’s gut. Ich … äh … hab es.« Sie winkte mit dem Ende der Leine.
    Seine Augen, die so kühl wie der Regen waren, leuchteten auf. »Das sehe ich.«
    Sie watete zurück zu ihm, das Beiboot, das wie ein reumütiges Pony hinter ihr her tänzelte, im Schlepptau.
    »Du bist ganz nass«, stellte er fest.
    Nass und vor Kälte und Triumph zitternd.
    »Mir ist eiskalt«, gab sie offen zu.
    Das Wasser platschte um ihre Knöchel. Ihre Füße waren Eisblöcke.
    »Hier.« Bevor sie wusste, was er tat, hatte er schon das Seehundfell genommen und ihr um die Schultern gelegt.
    Sie erschauerte vor Ablehnung und Erleichterung. Sein Fell war so schwer. Schwer und warm. Ihre Finger krallten sich in den dicken Pelz, obwohl ihr Innerstes rebellierte. Es war kein Verlangen. Oder nicht nur Verlangen. Adrenalin, Übelkeit, Hunger …
    Sie presste die Schenkel zusammen, damit sie nicht so zitterten. Und um auf den Beinen zu bleiben.
    Er kam noch näher und zog das Fell enger um sie. Sie sah auf seine Handgelenke, die stark und breit waren. Ihre Brüste prickelten.
    Sie holte tief Luft.
    Sein Blick fiel auf ihren Mund. Seine Nasenflügel blähten sich. Hatte er vor, sie zu küssen? Das wollte sie nicht.
    Ihr Herz hämmerte gegen ihre Rippen. Wollte sie es wirklich nicht?
    Seine Worte dröhnten in ihrem Kopf.
»Das war wohl kaum eine Vergewaltigung, meine Liebe. Du bist keine wehrlose Jungfrau.«
    Sie machte einen kleinen, sehr entschiedenen Schritt rückwärts, wobei sie auf dem kalten Sand fast ins Stolpern geraten wäre.
    Seine Hände fielen von ihr ab.
    Sie starrten einander an. Ihr Atem ging rauh. Schweigen brauste zwischen ihnen, kalt und beharrlich wie die Wellen.
    Sie sah als Erste weg.
     

[home]
    7
     
    Conn reagierte hitzig und hart, dabei hätte er eigentlich gelassen und ruhig bleiben sollen. Er war erschüttert. Die kleine Hexe hatte ihn erschüttert.
    Nicht durch ihre Gabe. Obwohl ihm bei Gott noch immer der Kopf von der gewaltigen Kraft schwirrte, die sie freigesetzt hatte, um die Leine in ihre Gewalt zu bringen.
    Er schleppte und zog das Boot den Strand hinauf, dorthin, wo die Flut es nicht erreichen konnte, weg von dem mageren

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