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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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wollte sie nicht loslassen. Je länger sie seiner Berührung ausgesetzt war, das fühlte er, desto besser standen die Chancen, dass sie ihn endlich akzeptierte. »Das Treppenhaus ist dunkel. Du wirst nichts sehen.«
    »Oh, und du schon?«
    »Ja«, antwortete er knapp, so dass sie verstummte.
    Er trug sie die Wendeltreppe hinauf. Seine Schulter streifte die rauhe Turmwand, während ihre nackten Füße über dem Abgrund baumelten. Durch hohe, schmale Ritzen drang Licht in die Finsternis. In der Stille konnte er sie atmen hören, während hinter ihnen die Hundekrallen über den Boden scharrten.
    Die Treppe teilte sich; auf der einen Seite führte sie spiralförmig zu seinen Räumen, auf der anderen verbreiterte sie sich zu ausladenden, flachen Stufen und einem Gewölbe. Sie erneuerte den Griff ihres Arms um seinen Hals, wobei ihre weiche Brust an seine Brust gedrückt wurde. Vorfreude pulsierte in ihm. Fast da. Er widerstand dem Impuls, sie sich einfach über die Schulter zu werfen und immer zwei Stufen auf einmal zu nehmen.
    »Mein Lord!« Der Ruf kam vom Korridor.
    Madadh knurrte leise zur Warnung.
    Lucy erstarrte und wandte den Kopf.
    Conn packte sie fester.
    Eine breite Gestalt zeichnete sich unter dem Steinbogen ab. Frust versetzte Conn einen Stich. Doch der Mann, der ihn gegrüßt hatte, war sein getreuester Wächter. Es hatte keinen Sinn, ihn anzufahren. Oder ihn zu ignorieren.
    »Griffith ap Powell, der Burgvogt«, stellte er knapp vor. »Lucy Hunter.«
    Der Wächter legte die Stirn in Falten. »Dylans Schwester?«
    Lucy blinzelte ungläubig. »Sie kennen meinen Bruder?«
    Griff sprach über ihren Kopf hinweg mit Conn. »Was macht sie hier?«
    »Fragen Sie nicht«, murmelte sie.
    Etwas in ihrer Stimme, eine fast unmerkliche Veränderung in ihrer Haltung bahnte sich den Weg durch Conns Lust und Ungeduld. Er sah auf sie herunter. Ihre Schultern waren hochgezogen, ihre Augen niedergeschlagen. Sie schien in seinen Armen fast geschrumpft zu sein.
    »Mein Lord, ich muss mit Euch reden«, fuhr Griff fort, als hätte er seine eigene Frage vergessen. Als hätte er sogar die Anwesenheit des Mädchens vergessen.
    Conns Haut kribbelte.
    »Fragen Sie nicht«,
hatte sie gesagt. War es möglich, dass es nicht einfach eine Bemerkung, sondern ein Befehl gewesen war?
    Unbehagen tropfte durch ihn wie geschmolzenes Eis. Was hatte es zu bedeuten, wenn sie den Burgvogt herumkommandierte?
    »Sie ist die Tochter von Atargatis«, erklärte Conn. »Und mein Gast.«
    Griff rieb sich das grau behaarte Kinn; seine dunklen Augen wirkten für einen Moment verwirrt. »Dann ist sie willkommen. Mein Lord, eine Gesandtschaft aus –«
    »Später«, unterbrach Conn. »Sie braucht ein Feuer, etwas zu essen und Kleidung. Im oberen Turmzimmer. Kümmere dich darum.«
    Und er würde sich um sie kümmern.
    »Mein Lord.« Der Wächter war respektvoll, doch er ließ sich nicht beirren. »Das kann nicht warten.«
    »Ich war zwei Wochen fort.« Conn stieß die Worte einzeln hervor. Ein Wimpernschlag innerhalb des langen Daseins eines Selkies. Sein Vater glänzte seit einem verfluchten Jahrtausend mit Abwesenheit, und niemand erinnerte ihn daran, dass er seinen Pflichten nachkommen sollte. »Was auch immer es ist – es kann noch eine Stunde warten.«
    »Gau weiß, dass Ihr fort wart«, sagte Griff.
    Conn verstummte.
    Gau war ein Lord der Hölle, ein Sendbote der Kinder des Feuers. Skrupellos, ohne jeden Sinn für Humor, aufgeblasen und gefährlich, witterte der dämonische Lord jede Gelegenheit und Schwäche. Er musste Conns Abwesenheit von Sanctuary als beides betrachten.
    Etwas Dunkles, Wildes stieg in Conn auf. »Ich bin der Hölle keine Rechenschaft darüber schuldig, wo ich mich aufhalte.«
    »Nein, mein Lord.« Griff begegnete mit düsterer Miene seinem Blick. »Aber Gau ersucht um eine Audienz.«
    »Gau soll zur Hölle fahren.«
    »Da war er gerade, mein Lord«, entgegnete Griff mit grimmigem Humor. »Und jetzt ist er hierher unterwegs. Mit einer Gesandtschaft.«
    Madadhs Schultern bebten als Reaktion auf die Anspannung in der Luft. Lucys Blick wanderte zwischen den Gesichtern der beiden Männer hin und her.
    »Er wagt viel in meiner Abwesenheit«, stieß Conn zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    »Vielleicht wusste er, dass Ihr heute wiederkehren würdet«, gab Griff zu bedenken.
    »Oder er hoffte, ich würde noch weg sein«, erwiderte Conn. »Ruf die anderen Wächter zusammen. Lassen wir Gau unsere Stärke sehen.«
    Soweit vorhanden, dachte

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