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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Strand, der immer näher kam.
    Festes Land. Fester Boden.
    Endlich.
    In den letzten Tagen hatte sie sich unter Deck wie in der Falle gefühlt. Hatte abgestandene Luft geatmet, den Inhalt von Konservendosen erwärmt, in der winzigen Kombüse ihr schmutziges Geschirr gespült und in der klaustrophobisch kleinen Kabine geschlafen. Und hatte versucht, das Seehundfell zu ignorieren, das sie zusammengelegt in einen Spind gestopft hatte. Sie konnte nicht darunterliegen, ohne zu wissen, was es war.
    Was Conn war.
    Sie wusste nicht, wo er schlief. Ob er überhaupt schlief. Wenn sie morgens aufwachte, meinte sie manchmal, seinen Geruch auf ihrem Laken wahrzunehmen. Auf ihrer Haut. Aber das Kissen neben ihr war nie benutzt.
    Die Riemen tauchten ein, zogen durch, blitzten wieder auf. Conn streckte und krümmte sich, und dabei stießen seine Knie fast mit den ihren zusammen, und seine Haut glänzte von Schweiß und Sonnenlicht. Der Wind zerzauste wie die Hand einer Geliebten sein Haar. In Dylans dunkler enger Anzughose und dem weißen Hemd, das bis zur Hüfte offen stand, sah er wie ein Pirat aus einem Kinofilm aus.
    Ihr Blick huschte über seine breite Brust; riss sich von seinem Bauch los.
    Sie fasste die stille Bucht hinter ihm ins Auge, den Strand aus Sand und Schiefergestein, die ausgebleichten Hügel, die in einem zerklüfteten Halbkreis wie der geborstene Rand einer Tasse anstiegen. Schroff und stolz erhoben sich auf den Klippen darüber die runden, zinnenbekrönten Türme eines Schlosses.
    Ein weißer Vogel mit angeschrägten Schwingen flog wie ein Drachen an einer Leine auf. Sonnenlicht glitzerte auf dem Wasser. Ein Schatten durchbrach die Wasseroberfläche und verschwand wieder darunter, bevor sie ihn identifizieren konnte. Ein Fisch? Ein Seehund?
    Ihre Lippen schmeckten nach Salz. Sie fröstelte vor Kälte. Vor Angst.
    Aufregung.
    Das Beiboot schwankte, als es von der Brandung erfasst wurde und kratzend auf den Strand gespült wurde. Conn zog die Riemen ein und sprang aus dem Boot; seine nackten Füße und kräftigen Waden platschten durch die Gischt.
    Sie betrachtete seinen muskulösen Rücken, als er sich über das Boot beugte, und spürte ein weiteres unangenehmes Beben in der Magengrube.
    Sie wandte den Blick ab. Sie würde sich hüten. Bestimmt.
    Das letzte Mal, als sie alle Wachsamkeit hatte fahren lassen, war sie bewusstlos, entführt mitten auf dem Ozean gelandet. Sie konnte sich nicht vorstellen, was Conn ihr antun würde, wenn sie ihn jemals wieder an sich heranlassen sollte. Ihr Atem ging schneller. Sie wollte es sich nicht vorstellen. Sich nicht erinnern.
An seinen heißen Atem an ihrem Ohr, seinen Arm um ihre Taille, seinen festen, pulsierenden, sich immer wieder an sie drängenden Körper …
    Ihr Blut hämmerte.
    O Gott. Sie
war
ein Freak. Sie schloss die Augen.
    Das Beiboot schrammte über den Grund, während es sich im Flachwasser wälzte. Gischt spritzte über die Seite. Sie zuckte zusammen und riss die Augen auf.
    Conn zerrte das Boot auf den Strand. Nicht sehr weit. Ihr Gewicht hielt es im Wasser fest.
    Er stabilisierte das Beiboot in der wirbelnden Gischt. »Steig aus.«
    Das Wasser brodelte und schien nach ihr zu greifen.
    Ihr Herz klopfte wild. Panik trocknete ihren Mund aus. Sie ging niemals ins Wasser. Niemals. Nicht, seitdem sie ein kleines Mädchen gewesen war. Nicht, seitdem … »Ich kann nicht.«
    Er fragte sie nicht. Er diskutierte nicht. Er ließ das Boot los, hob sie von der Sitzbank, schnappte sich das Seehundfell und trug sie beide aus dem Wasser.
    Sie schrie erleichtert und alarmiert zugleich auf und klammerte sich an seinen Hals. Er war warm und verlässlich.
Sie steckte in der Zwickmühle …
»Warte!«
    Er sah auf sie herab. »Du ziehst es vor, nass zu werden?«
    »Nein, aber …« Sie wand sich in seinen Armen, um einen verzweifelten Blick über seine Schulter auf das Beiboot zu werfen, das gerade abgetrieben wurde. »Das Boot!«
    »Wir brauchen es nicht mehr.«
    »Vielleicht doch!«
    Er ließ sie auf dem kalten, festen Sand herunter. Trotz ihrer Besorgnis registrierte sie, dass er sie so lange festhielt, bis sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte. »Warum?«, fragte er.
    »Um … wieder aufs Schiff zu kommen«, antwortete sie.
Um nach Hause zu fahren.
    »Zu spät«, erwiderte er.
    Sie starrte ihn sprachlos an.
    »Die nördliche Überfahrt wird in den nächsten Wochen fast unmöglich sein«, erklärte er steif. »Selbst wenn –«
    Aber sie hörte schon nicht mehr hin.
    Das

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