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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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Mädchen, das auf dem Sand vor Kälte schlotterte. Wenn ihn schon sein Körper im Stich ließ, dann sollte wenigstens sein Gesicht ihn nicht verraten.
    Er legte das Beiboot am Fuße der Klippen ab.
    Sie hatte sich von ihm abgewandt. Erneut.
    Er fletschte die Zähne wie das Tier, als das sie ihn bezeichnet hatte. Selbst als die Magie noch durch ihr Blut rollte, selbst als sein Fell sie noch wärmte, hatte sie ihn zurückgewiesen.
    Er hatte es vorausgesehen. Vielleicht hatte er es sich in ihren Augen sogar selbst eingebrockt. Aber hier, auf Sanctuary, hatte ihr Widerwille gegen ihn einen unerwarteten Stachel. Eine tiefere Bedeutung. Unter seinem verletzten Stolz regte sich ein tiefes Unbehagen. Früher oder später musste sie sich ihrem Schicksal ergeben. Sein Volk brauchte sie.
    Ein Gedanke flüsterte:
Er
brauchte sie.
    Er wollte dieses Gefühl nicht zur Kenntnis nehmen. Er wollte überhaupt keine Gefühle haben. Aber es war da.
    »Ich …« Ihre Stimme krächzte hinter ihm. »Wo sind wir? Rein geographisch, meine ich.«
    Conn verstaute die Riemen neben dem Beiboot, was ihm Zeit verschaffte, wieder seine vertraute Maske aufzusetzen. »Westlich von
Innse Gall.
Den Inseln der Fremden«, übersetzte er.
    Er schlang das Schlepptau um einen Felsen und hoffte, das verdammte Ding würde dennoch fortgespült. Dem Mut, mit dem sie das Boot zurückerobert hatte, musste er trotzdem Respekt zollen, indem er es vertäute.
    »Irland?« Ihre Stimme klang dünn.
    Er fühlte einen Augenblick lang das Mitleid, das er skrupellos unterdrückt hatte. Er hatte ihr bereits gesagt, dass er sie nicht zurückbringen würde. Welchen Unterschied machte es für sie beide, wenn der halbe Globus und ein Meer zwischen hier und ihrem Zuhause lagen?
    »Schottland.« Er drehte sich um.
    Sie hatte den Kopf zurückgelegt, um an den Klippen hinaufzuschauen; dabei wurde die lange, weiße Linie ihres Halses sichtbar. Bei Licht besehen – in diesem Licht besehen – war sie wirklich bemerkenswert hübsch. »Das würde das Schloss erklären.«
    Obwohl sie fror und Angst hatte, ließ sie sich nicht einschüchtern. Seine Lippen kräuselten sich, während seine eigene Furcht kleiner wurde. Vielleicht würde ihr Humor ihr dabei helfen, das Beste aus diesen neuen Lebensumständen zu machen.
    Aber dann senkte er den Blick, und sein Lächeln verwandelte sich in einen besorgten Gesichtsausdruck. Unter den triefenden Hosenbeinen waren ihre Füße von der kalten, blauen Farbe verwässerter Milch. »Wir müssen dich nach drinnen schaffen.«
    Wieder fasste sie skeptisch die Klippen ins Auge.
    »Es gibt einen Pfad zum Turm«, erklärte er.
    Sein privater Zugang, wenn er abends mit dem Hund spazieren ging. Sein Fluchtweg.
    Sie nickte.
    Die Büsche am Fuße des Turms raschelten. Ein langer, schlanker Schatten erschien, groß wie ein Wolf und anmutig wie ein Hirsch. Sein schmaler Kopf fuhr empor, als er sie erblickte.
    Sie erstarrte. »Was –«
    Ein blaugrauer Blitz flitzte durch das hohe Gras den Hang herunter.
    »Madadh«, warnte Conn.
    Im letzten Moment warf sich der große Jagdhund zappelnd zu seinen Füßen auf den Rücken, alle vier Pfoten in die Luft gestreckt. Von Würde keine Spur. Überraschung – und noch etwas anderes – schnürte Conn die Kehle zu. Langsam ging er in die Hocke, um dem Tier den drahtigen Bauch zu kraulen. Madadh sandte ihm einen Blick grenzenloser Liebe, bevor er wieder auf die Beine kam und den Strand hinablief.
    Lucys Lachen traf ihn mitten in Herz und Bauch. Selkies lachten fast ebenso selten, wie sie weinten. Der Hund schnürte in weiten Kreisen umher, wobei er gelegentlich innehielt, um zurückzujagen und sich zu vergewissern, dass Conn noch da war. »Er freut sich offenbar, dich zu sehen.«
    Ja. Conn verschränkte die Hände fast unschlüssig hinter dem Rücken.
    »Ich war noch nie weg«, sagte er steif. Er hätte nie gedacht, dass der Hund ihn so vermissen würde. Dass die offensichtliche Ergebenheit des Tiers ihn so berühren würde. »Madadh, Platz«, befahl er, als der Hund mit seinen großen, sandigen Pfoten auf ihn zulief.
    Er gehorchte sofort und legte sich flach auf den Boden, während sein Schwanz den Sand von links nach rechts peitschte.
    Lucys Lächeln brachte ihr Gesicht von innen zum Leuchten. Der Hund schob seine feuchte, haarige Schnauze in ihre Hand. Sie streichelte seinen Kopf.
    Conn rang eine plötzliche Eifersucht nieder. Auf sie? Auf den Hund? Das eine war so lächerlich wie das andere.
    »Hat sein Name eine

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