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Meereskuss

Meereskuss

Titel: Meereskuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Virginia Kantra
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so sagen wir, wenn sich einer der Unseren von der See verführen lässt. Und jedes Mal, wenn das geschieht, schrumpft unsere Zahl wieder um einen.«
    Seine trostlose Stimme riss eine Kluft in ihrer Brust auf. Sie waren also beide von ihren Eltern enttäuscht und im Stich gelassen worden. Das hieß allerdings nicht, dass sie ihm helfen konnte. Oder dass sie es auch nur versuchen sollte.
    »Dann bist du jetzt so etwas wie der König.«
    Sein Rücken schien noch gerader zu werden. »›Wie‹ der König?«, wiederholte er. »Ja.«
    »Dann muss es doch etwas geben, das du tun kannst. Etwas anderes.«
Außer mich zu schwängern
, dachte sie.
    »Früher konnten wir mehr tun«, bestätigte er, ohne sich umzudrehen. »In der Zeit vor der Zeit meines Vaters, als unser Blut dicker und unsere Gaben stärker waren, bevor die See krank machte und unser Volk schwand. Unsere große Zeit ist dahin. Wir besitzen diese Kraft nicht mehr.« Seine Stimme klang bitter. »Ich besitze diese Kraft nicht mehr.«
    Was ihn offenbar nicht davon abhielt, Verantwortung zu übernehmen. Sie wollte ihm für das böse sein, was er ihr zuzumuten bereit war, aber sie bewunderte ihn auch.
    »Kannst du nicht … Du könntest mit jemand anderem Kinder haben«, sagte sie.
    »Wenige, zu wenige, werden schwanger. Unsere Zahl wird in dem Maße kleiner, wie auch unsere Magie verebbt. In den letzten hundert Jahren wurden keine Selkie-Kinder mehr geboren.« Er wandte sich um. Sein Gesicht war so scharfkantig wie Eis. »Ich habe die Schützlinge, die von menschlichen Müttern geboren oder von menschlichen Vätern aufgezogen wurden, hierhergebracht. Es sind nicht genug, um unser Überleben zu sichern. Nicht annähernd genug. Dein Bruder war der letzte.«
    Dylan, der Bruder, den sie kaum kannte, der Selkie-Bruder, der erst kürzlich nach World’s End zurückgekehrt war. Er war wieder in das Zimmer gezogen, das er sich damals mit Caleb geteilt hatte. Obwohl er nun, da er mit Regina verlobt war, die meiste Zeit mit seiner neuen Familie verbrachte.
    Seiner
Familie
.
    Lucy blinzelte. »Dylan wird bald ein Kind haben.«
    »Tatsächlich.«
    »Warum redest du nicht mit ihm? Warum bittest du nicht ihn …«
    Oh.
    Ihr Gehirn schien über etwas zu stolpern. Es rumorte in ihrem Bauch. Als es ihr wieder einfiel, starrte sie Conn an. »Aber das hast du ja«, sagte sie langsam. »An jenem Abend zu Hause. Du warst gekommen, um mit Dylan zu reden.«
    Seine Augen wirkten nun wachsam und kühl. »Ich habe ihnen vorgeschlagen, ihr Kind auf Sanctuary großzuziehen.«
    Sie presste die Hände auf den Bauch. »Es war mehr als ein Vorschlag. Du hast sie vor die Wahl gestellt.«
    »Lucy –«
    »Was mehr ist, als du mir gewährt hast.«
    Conn legte die Hände hinter dem Rücken zusammen. »Dein Bruder wusste, was er riskierte und wogegen er sich entschied. Du nicht.«
    »Ich habe euch von der Treppe aus gehört.« Während sie ihre Erinnerungen und Gefühle Revue passieren ließ, suchte sie sorgfältig nach Worten. »Du sagtest, ich sei vom gleichen Blut. Vom Blut meiner Mutter. Ich hätte ein Recht darauf, meine Wahl zu treffen.«
    »Sie hätten dir alles sagen sollen.«
    »Nun, das haben sie nicht getan.« Ihre Lippen bebten und wurden dann fest. Der Entschluss ihrer Familie, sie außen vor zu lassen, ihr nicht zu vertrauen, tat noch immer weh. »Und du auch nicht.«
    Und das tat sogar noch mehr weh. Es machte ihr Angst, dass er die Macht hatte, ihr emotionalen Schmerz zuzufügen.
    »Ich sage es dir jetzt«, erwiderte er ausdruckslos.
    »Du sagst es mir.« Sie stand mit zitternden Beinen auf. »Du fragst mich nicht. Was ist mit meinem Recht auf eine Wahl? Ich habe das Recht, nein zu sagen.«
    »Du hast schon ja gesagt.« Es klang knapp und bestimmt. »Im Garten.«
    Seine Hand an ihrem Kinn, sein Gesicht dunkel und entschlossen über ihr, umrahmt von dem blauen, blauen Himmel. »Komm mit mir«, befahl er. »Komm.«
    Sie erschauerte ein wenig vor Verlangen. »Ich kann mich nicht erinnern, irgendetwas gesagt zu haben.«
    »Das, was du getan hast, war Zustimmung genug.«
    Ihre Wangen brannten. »Ich war bereit, Sex mit dir zu haben. Aber keine Kinder.«
    Seine Kaumuskeln mahlten. »Menschenfrauen werden schwanger durch Sex. Oder ist dir das nicht in den Sinn gekommen, als du unter mir lagst?«
    Er hätte sie ebenso gut in den Magen boxen können. Es verschlug ihr den Atem. Ihre Knie wankten. Sie hatte noch nicht einmal in Betracht gezogen, dass sie schwanger sein könnte.
    Dumme, dumme

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