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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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Schachtel wieder im
Seitenfach meines Rucksacks, krempelte meine Jeans herunter
und warf noch einen letzten Blick auf die Trave. Dann erhob
ich mich und lief mit langen Schritten den Hang hinauf.
    Elodie.
    Gordys leise, flehende Stimme stach mir ins Herz.
    Abrupt blieb ich stehen und verharrte für ein paar Sekunden
wie versteinert auf der Stelle. Das ist eine Prüfung, dachte
ich. Das kann nur eine Prüfung sein!
    Ich atmete tief durch, presste die Lippen aufeinander, versuchte,
nicht durchzudrehen – und ging weiter in Richtung
Brücke.
    Elodie, bitte!
    Jetzt war seine Stimme überall in mir. Warm und samtig
strich sie über meine Haut, pulsierte durch meine Adern und
füllte jede einzelne meiner Zellen.
    Ich konnte gar nicht anders, ich
musste
mich umdrehen.
    Gordy hatte das Ufer fast erreicht. Das orangerote Licht, das
von der gegenüberliegenden Traveseite herüberschien, spielte
mit seinen goldblonden Locken und ließ das Türkis seiner
Augen noch intensiver erscheinen.
    Meine Knie wurden weich und der Boden unter meinen
Füßen gab nach. Ich spürte noch einen Schlag in meinem Rücken,
dann wurde alles dunkel um mich herum.

    Als ich wieder zu mir kam, lag ich am Hang neben dem Brückenpfeiler
im Gras – und sah direkt in seine Augen.
    Gordys Gesicht war bleich, seine Miene unergründlich und
das Weiß um seine Iris herum von hauchfeinen tiefroten Äderchen
durchzogen.
    »Was ist passiert?«, wisperte ich benommen.
    »Du bist ohnmächtig geworden.« Seine Stimme klang ernst
und besorgt. »Und du hast dir den Kopf gestoßen, zum Glück
aber nicht allzu schlimm.«
    »Das meine ich nicht«, krächzte ich. »Was ist mit deinen
Augen?«
    Auf seiner Stirn zeigte sich der Ansatz einer Steilfalte. – Und
mit einem Mal war alles wieder da. Guernsey. Unsere Klippe.
Das Bett in meinem Apartment mit den Pflanzen drumherum.
Alles.
    Aber ich war nicht dort, sondern hier, in Lübeck.
    Lübeck und Gordian passten nicht zusammen. Ich musste
träumen. Das alles konnte unmöglich Realität sein. Und es
erschien mir so logisch: Gordy war in einem Traum in mein
Leben getreten und jetzt verabschiedete er sich auf die gleiche
Weise von mir. Ich musste lächeln. – Eigentlich eine hübsche
Idee von ihm!
    »Du hast geweint«, murmelte ich. »Du hast geweint, weil du
traurig bist.«
    Seufzend senkte ich die Lider. Die Vorstellung tröstete mich.
Nicht nur ich war traurig, sondern auch er. Wir hatten beide
unsere Liebe geopfert – für die Sicherheit der Menschen auf
den Kanalinseln und um den Frieden zwischen den Nixen zu
bewahren.
    »Himmel noch mal, Elodie!«, hörte ich Sina protestieren.
»Komm zu dir! Da liegt ein halbnackter Mann neben dir, mitten
im dicksten Lübecker Stadtverkehr, und du versinkst in
sentimentaler Gefühlsduselei!«
    »Du wolltest ja auch nicht glauben, dass ich eine Nixe bin«,
erwiderte ich. »Die ticken nun mal ein bisschen anders.«
    Elodie!
    Diesmal war das Pulsieren seiner Stimme so stark, dass ich
auf der Stelle die Augen öffnete.
    »Ich bin hier«, sagte er leise. Seine Pupillen weiteten sich
kurz, zogen sich dann allerdings sofort zu schmalen Ellipsen
zusammen. »Aber ich kann nicht lange bleiben …«
    Ich starrte ihn an, verlor mich einen Moment im Türkisgrün,
spürte einen frischen salzigen Geschmack am Gaumen,
und allmählich begriff ich, dass ich nicht träumte.
    »Du bist hier«, flüsterte ich.
    »Ja«, erwiderte Gordy zögernd. »Und dir geht es gut. Ich
wusste nicht, wieso … Ich hatte befürchtet, dass du …«
    Langsam richtete ich mich auf, und mit jedem Zentimeter,
den ich ihm näher kam, wich er um mindestens zwei zurück.
    »Könntest du mich bitte anfassen, damit ich es auch wirklich
glaube?«, fragte ich und streckte meine Hand nach ihm
aus.
    Kopfschüttelnd rutschte er von mir weg.
    Diese Geste erschreckte mich zutiefst und ein feiner, stechender
Schmerz raste durch meine Brust.
    »Ich bin hergekommen, um dir zu sagen, wie unendlich leid
es mir tut, dass ich dich so verletzt habe.«
    »Aber das hast du nicht!«
Ich bin doch diejenige gewesen, die
Hals über Kopf und ohne jede Erklärung von Guernsey verschwunden
ist. Also müsste ich mich bei dir entschuldigen.
    Gordy musterte mich aufmerksam. Sein Blick war intensiv,
aber nicht liebevoll, sondern auf eine unangenehme Weise
durchdringend.
    »Ich bin wirklich sehr froh, dass es dir gut geht«, sagte er in
seltsam mechanischem Tonfall und wieder raste der stechende
Schmerz durch meinen Körper. »Und ich verspreche dir, dass
so

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