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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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halb Mensch, halb Hainixe.
    Ja, verdammt, Cyril,
dachte ich.
Genau das bin ich. Eine Hainixe.
Stark und unabhängig.
    Mit geballten Fäusten und kräftigen Flossenschlägen stob
ich durch das Schleusentor – und wurde urplötzlich abgebremst. Aus einem für mich völlig unerfindlichen Grund
verlor ich an Geschwindigkeit. Es war weder ein Schiff in
der Nähe, dessen Antriebsschrauben eine Gegenströmung
auslösten, noch irgendetwas anderes, das dieses unsichtbare
Hindernis verursachen konnte. Leise fluchend legte ich die
Arme so eng wie möglich an meinen Körper, schlug meine
Schwanzflosse kräftig hin und her und kämpfte mit aller Entschlossenheit
dagegen an. Doch so sehr ich mich auch mühte,
ich kam keinen einzigen Meter mehr voran. Im Gegenteil: Das
Flusswasser drängte mich vehement zum Schleusentor zurück.
    Eine kraftvolle Unterströmung drehte mich um hundertachtzig
Grad und zog mich mit ganzer Macht in Richtung Ostsee.
    Erschöpft rang ich nach Atem, sog einen großen Schwall
Wasser in meine Lungen und bildete mir ein, hier, mitten in
der Trave, den Geschmack von Salzwasser auf der Zunge zu
spüren.
    Also gut, dachte ich, du willst es nicht anders.
    Was auch immer mein Schicksal war, ich würde mich fügen.
Denn das Meer hatte offenbar seine eigenen Pläne. Es zwang
mich, Gordy zu folgen.

    Gordian musste mich schon ein gutes Stück hinter sich gelassen
haben, denn so schnell ich auch schwamm, ich konnte
ihn weder sehen noch den kleinsten Gedankenfetzen von ihm
erfassen. Wahrscheinlich war es gar nicht mehr möglich, ihn
überhaupt noch einzuholen, aber darüber dachte ich nicht
nach.
    Mit jedem Meter, den sich die Trave verbreiterte, wurde das
Wasser salziger, aber auch schmutziger. Die dunklen Schatten
riesiger Schiffsleiber tauchten über mir auf. Sie füllten mein
Gehör mit dem durchdringenden Brummen ihrer Motoren,
und ihre Antriebsschrauben wirbelten stinkende Schwaden
auf, die einen beißenden Schmerz in meinen Atemwegen verursachten.
    Trotz alledem hatte ich mich inzwischen ein wenig erholt.
Meine Schwanzflosse bewegte sich nun wieder in schnellem
Rhythmus hin und her und schon bald erreichte ich das offene
Meer. Es tat gut, endlich reines Salzwasser atmen zu können,
denn es machte den Schiffslärm und das Durchqueren
der unzähligen von Giftstoffen verunreinigten Bereiche um
einiges erträglicher.
    Obwohl ich nicht sonderlich auf meine Umgebung achtete,
fiel mir auf, dass es Zonen gab, in denen merklich weniger
Fischschwärme unterwegs waren.
    Also versuchte ich, diese Gebiete zu meiden. Ich orientierte
mich an der Klarheit des Wassers und der Intensität des Salzduftes,
der mich durchströmte, und stellte mir vor, wie ich den
Großen Belt und den Skagerrak durchquerte und zwischen der
britischen Küste zu meiner Rechten und der niederländischen
zu meiner Linken auf die Kanalinseln zuhielt.
    Die ganze Zeit über gingen mir Bilder von Gordy und den
anderen Delfinnixen, von Cyril, Jane und Javen Spinx, Ruby
und Ashton und von Tante Grace durch den Kopf, hin und
wieder drängte sich auch das Gesicht meiner Mutter dazwischen.
Wahrscheinlich würde sie durchdrehen, wenn sie feststellte,
dass ich verschwunden war. Ich musste so bald wie nur
irgend möglich ein Lebenszeichen von mir geben, und bis
dahin blieb mir nichts als die Hoffnung, dass man meinen
Rucksack und meine Klamotten am Traveufer fand und Mam
die richtigen Schlüsse daraus zog.

    Ich hatte das Gefühl, bereits eine Ewigkeit unterwegs gewesen
zu sein, als die Dunkelheit vor mir von Lichtreflexen durchbrochen
wurde. Der Sog der Strömung, der mich meinem
Ziel entgegentrug, hatte sich schon vor einer geraumen Zeit
deutlich abgeschwächt. Mittlerweile schmerzten meine Muskeln
vor Erschöpfung, ich musste meine Augen fast gewaltsam
offen halten und von Gordy war noch immer nichts zu sehen.
    Einem inneren Impuls folgend, ließ ich mich nach oben
treiben. Kurz bevor ich die Oberfläche durchbrach, presste ich
sämtliches Wasser aus meiner Lunge, und der nächste Atemzug
füllte sie mit morgenfrischer Seeluft.
    Ich befand mich mitten im Meer, über mir der klare Himmel,
auf dem im Westen noch die dunkelblaue Erinnerung
an die vergangene Nacht lag. Unmittelbar vor mir erkannte ich
die bizarre Felsenküste Guernseys und gleich dahinter schob
sich die Sonne empor.
    Für einen kurzen Moment wurde mir ganz warm und leicht
ums Herz.
    Ich war wieder daheim, dort, wo ich hingehörte. Warum
auch immer sie es getan hatten, aber Javen Spinx und

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