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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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vermachte ihn Holly und die veerbte ihn schließlich mir.
Ich vermute allerdings, dass sie meiner Schwester schon zu Lebzeiten
alles erzählt hat«, fuhr sie fort, nachdem sie ihr Glas geleert
und sich anschließend gleich wieder zurückgelehnt hatte.
»Sie musste ja davon ausgehen, dass Holly kein normaler
Mensch war. Ich glaube, sie hat die ganze Zeit über erwartet
oder sagen wir besser befürchtet, dass meine Schwester irgendwann
die Gestalt einer Nixe annehmen könnte.«
    Ich atmete tief ein und gab mir alle Mühe, mir meine Aufregung
nicht anmerken zu lassen. »Aber das hat sie nicht?«
    »Nein.« Tante Grace zuckte mit den Schultern. »Vielleicht
lag es daran, dass wir nie wieder ans Meer gefahren sind. Meine
Mutter hat Gewässer gemieden, Holly und ich durften auch
nicht schwimmen lernen, was uns zum Glück nicht störte. Als
wir noch Kinder waren, ist uns das seltsame Verhalten unserer
Mutter im Grunde gar nicht aufgefallen. Das kam erst viel später.
Eine Erklärung fanden wir jedoch nicht und irgendwann
geriet das Thema in Vergessenheit. Und so kam es dann, dass
sich mir die Hintergründe erst erschlossen, als ich nach Hollys
Tod den Brief und Pattons Foto in den Händen hielt.«
    Ich warf einen Seitenblick auf Gordy, konnte aber nicht ausmachen,
was er dachte oder fühlte.
    »Warum sind meine Urgroßmutter und Patton nicht zusammengeblieben?
«, fragte ich. Ich hatte Angst vor Tante Gracies
Antwort und konnte das Zittern in meiner Stimme nicht verbergen.
    »Das weiß ich nicht«, entgegnete sie. »Nach einer Weile verschwand
er genauso plötzlich, wie er aufgetaucht war. Meine
Mutter hat nie erfahren, ob ihm etwas zugestoßen ist oder ob
er sie schlicht verlassen hat.«
    Gordy drückte sachte meine Hand.
    »In dem Brief steht, dass meine Mutter sich ganz sicher nie
mehr an einen Mann gebunden hätte, wenn sie nicht schwanger
gewesen wäre. Sie wollte Holly nicht ohne Vater aufwachsen
lassen und so heiratete sie drei Monate später deinen Urgroßvater.
«
    »Falsch«, sagte ich. »
Patton
war mein Urgroßvater.«
    Tante Grace schürzte die Lippen. »Ja, so ist es«, meinte sie
dann und deutete auf mein Glas. »Du hast ja noch gar nichts
getrunken. Denkst du, dein Magen rebelliert gegen Menschennahrung,
jetzt da du …« Sie brach ab, sah zum Fenster hinüber
und seufzte tief.
    »Was ist mit Mam?«, fragte ich. »Weiß sie Bescheid?«
    Tante Grace schüttelte den Kopf.
    »Holly war natürlich klar, dass Pattons Gene irgendwann
durchschlagen könnten. Doch auch bei deiner Mutter gab es
nicht das geringste Anzeichen dafür, dass sie nicht durch und
durch menschlich war. Die einzige Unregelmäßigkeit in ihrem
Leben war Javen.«
    »Dann hatten sie also doch etwas miteinander!« Und meine
Mutter traute sich einfach nicht, es mir zu gestehen.
    »Das kann ich dir nicht beantworten«, sagte Tante Grace und mit einem Mal wirkte sie nachdenklich. »Ich hatte zwar
sehr wohl den Eindruck, dass die beiden ungewöhnlich vertraut
miteinander waren, und ganz ehrlich: Ich hatte fast
schon damit gerechnet, dass Rafaela mir eröffnet, sie würde
sich von deinem Vater trennen. Aber sie tat es nicht. Nach
gut drei Wochen reiste sie wieder ab. Du wurdest geboren und
deine Mutter kam nie wieder auf die Kanalinseln.«
    Ob das nun unbedingt etwas zu bedeuten hatte? »Vielleicht
hat es sich einfach nicht ergeben.«
    »Doch, mein Engel, das hätte es durchaus«, entgegnete
meine Großtante. »Ich habe euch mehrmals eingeladen. Aber
Rafaela hatte immer eine Ausrede. Zuerst war es der Job deines
Vaters, dann ihr eigener und zuletzt du mit deiner unerklärlichen
Angst vor Wasser. Am Ende war ich es, die euch auf dem
Festland besucht hat. Aber das ist ja nun auch schon wieder
eine ganze Weile her.«
    Eine bedrückende Stille breitete sich zwischen uns aus, in
der wir einander nicht ansahen und ich den sanften Druck
von Gordys Hand erwiderte. Schließlich räusperte ich mich
und fragte: »Gibt es den Brief von deiner Mutter noch?«
    »Ja, sicher«, sagte sie und erhob sich sofort aus ihrem Sessel.
Sie öffnete die oberste Schublade der zierlichen Anrichte, die
direkt neben der Tür stand, und zog einen Umschlag heraus.
»Nachdem du gestern ins Meer gesprungen und nicht wieder
aufgetaucht bist, habe ich diesen kleinen Schatz aus meiner
Schlafkammer geholt und hier für dich bereitgelegt.«
    Sanft, beinahe zärtlich strich sie mit den Fingerspitzen
über den Umschlag, bevor sie ihn mir reichte, und mein Herz
hüpfte vor Aufregung, als ich

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