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Meeresrauschen

Meeresrauschen

Titel: Meeresrauschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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Riffs nach oben. Kurz
bevor wir die Oberfläche erreichten, flachte der Fels ab, und
im nächsten Moment saßen wir auf einem glatten Plateau inmitten
sanft tanzender Lichtflecken, die die Sonnenstrahlen
darauf malten.
    Ich richtete den Blick nach oben. Die Wasseroberfläche war
nur noch wenige Zentimeter entfernt, darüber strahlte der wolkenlose
Himmel.
    Wenn du vor dem Auftauchen sämtliches Wasser aus deiner Lunge
presst, tut der erste Atemzug an der Luft nicht so weh,
sagte Gordy.
    Okay.
Entschlossen leerte ich meine Lungen und wollte gerade
nach oben schießen und mich an Land werfen, da packte
Gordy meine Hüften und hielt mich zurück.
    Nicht so schnell. Zuerst musst du dich vergewissern, dass dich niemand
dabei beobachtet. Wir befinden uns nämlich direkt unterhalb
des Hauses deiner Großtante.
    Beim Gedanken an Tante Grace breitete sich ein Gefühl
der Beklemmung in mir aus. Wie sollte ich ihr bloß begreiflich
machen, was mit mir passiert war? Würde sie mir überhaupt
glauben?
    Du kannst es ihr jederzeit beweisen.
    Ich wollte widersprechen, aber Gordy ließ mich nicht zu
Wort kommen.
    Du hast ohnehin keine Wahl,
sagte er.
Wie willst du ihr erklären,
dass du nicht ertrunken bist? Außerdem weiß sie womöglich tatsächlich
mehr, als sie bisher zugegeben hat.
    Also gut.
Ich nickte ihm zu.
Zeig mir, wie ich mir sicher sein kann, dass niemand von den Klippen zu uns herabschaut, während
wir uns verwandeln.
    Schließ die Augen. Und jetzt hör gut zu,
sagte Gordy.
Wenige Zentimeter
unterhalb deines menschlichen Ohrs befindet sich ein zweites
Sinnesorgan. Es ist viel empfindlicher und lässt dich Geräusche aus
mehr als einem Kilometer Entfernung wahrnehmen.
    Okay,
sagte ich noch einmal. Wieder presste ich sämtliches
Wasser aus meiner Lunge, wieder wollte ich mich hochstoßen
und wieder hielt Gordy mich zurück.
    Warte!
    Was ist denn noch?
Allmählich wurde ich ungeduldig. Ich
wollte es endlich hinter mich bringen.
    Die Verwandlung vollzieht sich innerhalb von Sekunden. Du musst
aufpassen, dass die Haut deines Schwanzes nicht ins Meer gleitet.
    Ich seufzte.
Keine Ahnung, ob ich das schaffe.
    Wird schon. Notfalls bin ich ja auch noch da.
    Gordian schloss nicht einmal die Augen, sondern schien
einfach zu wissen, ob jemand in der Nähe des Ufers war. Blitzschnell
verschwand er aus dem Meer, ohne dass die Wasseroberfläche
sich kräuselte.
    Ob ich das auch so hinbekam?
    Entweder du versuchst es oder du paddelst für den Rest
deines Lebens im Meer herum, sagte ich mir. Entschlossen
leerte ich meine Lungen und zog mich über das Klippenplateau
hinweg aus dem Wasser. In der Sekunde, in der meine
Hüften mit der Luft in Berührung kamen, spürte ich ein sanftes
Kitzeln auf der Haut. Reflexartig griff ich dorthin und
schon hielt ich ein glattes, hauchfeines Tuch zwischen den
Fingern. Für einen Augenblick fühlte es sich an, als würde ich
in der Mitte geteilt, dann standen meine Füße so sicher auf dem glitschigen Fels, als wären ihre Sohlen mit Saugnäpfen
versehen.
    Hektisch und ein wenig umständlich fummelte ich mir das
silberne Tuch um den Leib und knotete es über der linken
Brust zusammen. Dabei fiel mein Blick auf meine Beine, und
ich bemerkte, dass die Wunde über meinem rechten Knöchel
vollständig verheilt und dort nicht einmal eine Narbe zurückgeblieben
war.
    »Nicht schlecht für den Anfang«, meinte Gordian und lächelte
schief. »Das mit der Haut könnte zwar noch ein bisschen
schneller gehen …« Er griff nach meiner Hand, zog mich
zu sich heran und küsste mich zärtlich und ohne jede Scheu.
»Du bist so wunderwunderschön«, murmelte er, als er sich wieder
von mir löste.
    Sein Kuss hatte mich ein wenig schwindelig gemacht, und
deshalb dauerte es einen Moment, bis ich kapierte.
    »Ich war
viel
zu langsam, stimmt’s? Du hast alles gesehen …?«
    Gordy zuckte die Achseln. Seine Pupillen waren groß und
schwarz.
    »Und, war es schlimm?«, fragte ich rau. »Hast du mit dem
Gedanken gespielt, mich zu töten?«
    »Mit dem nicht.« Seine Stimme klang dunkel und samtig.
    »Mit dem anderen schon.«
    Meine Knie wurden weich, und ich musste mich an ihm
festhalten, um nicht zusammenzusacken. »Du machst mich
wahnsinnig, weißt du das?«, seufzte ich.
    »Tut mir leid, aber …« Aus tiefgrünen Augen blickte Gordian
mich an. »Dein Anblick hat mich wirklich … umgehauen.
    Besonders deine Rückseite ist … sehr bezaubernd.«
    »Sie ist gar nicht so einmalig«, sagte ich etwas verlegen. Keine Ahnung, wieso

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