Meeresrauschen
den Nacken. »Dass ich nicht an Land gekommen bin, um
den Haien irgendetwas wegzunehmen oder ihnen zu schaden.«
»Und das hat er geschluckt?«
Gordian zuckte die Achseln. »Für heute zumindest.«
»Vielleicht regt er sich ja wirklich ab«, sagte ich hoffnungsvoll,
dabei wusste ich genauso gut wie Gordy, dass Tyler sich
aller Wahrscheinlichkeit nach nicht einmal von Javen Spinx
beruhigen lassen würde. Ein Delfin hatte seine große Liebe
getötet. Sobald sich ihm die Gelegenheit bot, würde er Gordy
ebenso bekämpfen wie jeden anderen Nix aus dem feindlichen
Lager.
»Tyler ahnt nicht einmal, dass es Kyan war, stimmt’s?«, hakte
ich nach.
»Nein, ich glaube nicht«, sagte Gordy. »Aber es wird nur
eine Frage der Zeit sein, bis er es herausfindet.«
»Unsere Gedanken konnte er jedenfalls nicht lesen. Obwohl
er ein Nix ist. Er müsste es können.«
Gordian zog die Augenbrauen hoch. »Wer sagt das?«
»Keine Ahnung … Cyril … Ich dachte jedenfalls, dass…«
»Elodie, er war ja nicht einmal imstande, unseren Gedankenaustausch
zu lesen«, fiel Gordy mir ins Wort. »Und umherfliegende
Gedanken sind für einen Dritten weitaus leichter
zu erkennen als jene, die man in seinem Kopf eingeschlossen
hält.«
Einigermaßen fassungslos sah ich ihn an. In der Tat hatten
er und ich uns außerhalb des Meeres über unsere Echolote verständigt
– und zwar so, als wäre es das Normalste auf der Welt.
Gordian lächelte.
Es ist schon ziemlich ungewöhnlich, dass du
überhaupt eines besitzt.
»Es ist ein Talent, oder?«
»Jep«, war seine knappe Antwort. Er warf noch einen kurzen
Blick zu der Stelle an der Mauer, wo Tyler verschwunden war,
dann schlang er seinen Arm um meine Schultern. »Na komm,
wir sollten Ruby und Ashton nicht zu lange warten lassen.«
»Okay«, sagte ich. »Aber vorher musst du mir das mit dem
Echolot erklären.«
Gordy lächelte wieder und drückte mich leicht an sich. »Na,
dann schieß los! Was willst du wissen?«
»Ein Echolot zu haben, ist ein Talent – zumindest für eine
Halbhai wie mich. Richtig?«
»Ja, aber entscheidend ist, dass wir beide uns auch an Land
verständigen können. Es ist
dein
Talent. Soeben neu ausgebildet,
weil die Situation es erforderte.«
Ich schüttelte unwillig den Kopf, denn es gefiel mir nicht,
dass ich offenbar keinen Einfluss darauf hatte.
»Doch, den hast du«, widersprach Gordy. »Denk an Janes
Worte. Die Ausbildung eurer Talente ist ein Zusammenspiel
zwischen euren Bedürfnissen und dem Willen des Meeres.«
»Das hast du wunderbar gesagt!« Ein warmes, unendlich
zärtliches Gefühl durchflutete mich vom Kopf bis zu den
Zehen. »Du nichtsnutziger Plonx«, setzte ich leise scherzend
hinzu, »dir ist gar nicht bewusst, wie wertvoll du bist.«
Nicht nur
für mich, sondern auch für Ashton – und vielleicht sogar für Rubys
Bruder!
»Das kann ich ihr unmöglich anbieten«, unterbrach Gordy
meine Überlegungen. »Nicht, solange ich offiziell gar nicht
weiß, dass sie einen Bruder hat. Außerdem habe ich keine Vorstellung
davon, wie weit meine Fähigkeiten überhaupt reichen.
Irgendwo haben auch sie ihre Grenzen.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«, entgegnete ich. »Vielleicht
wachsen ja auch
deine
Fähigkeiten mit den Aufgaben,
vor denen du stehst!«
Auf Gordys Stirn bildete sich eine Steilfalte. »Es gibt Regeln,
Elodie«, sagte er, »und an denen kann niemand etwas ändern.
« Es klang ein bisschen so, als müsse er sich selbst daran
erinnern. »Delfinnixe werden mit ihren Talenten geboren,
Hainixe können sie erwerben, meine Eltern sind einander bestimmt
…«
»… Hainixe gehen an Land, Delfinnixe nicht«, führte ich
seine Aufzählung fort. »Und wenn sie es tun, werden sie zum
Plonx.«
Gordian nickte beklommen.
»Ist das wirklich eine Gesetzmäßigkeit?«, fragte ich. »Ich
meine, eigentlich habt ihr Nixe es doch immer nur für eine
Legende gehalten.«
Gordy zuckte mit den Schultern. »Weil es
eigentlich
nicht vorkommt.
«
»Deshalb frage ich ja«, sagte ich eindringlich. »Wenn es
ei gentlich
nicht vorkommt, kann es dann überhaupt einer Regel
unterliegen? Ist es dann nicht eher so etwas wie ein Zufall?«
Du meinst, ein Unfall
. Gordians Miene verdunkelte sich, und
die tiefe Traurigkeit, die ihn jedes Mal überfiel, wenn er sich
seiner vermeintlichen
Minderwertigkeit
bewusst wurde, breitete
sich auf seinem schönen Gesicht aus.
Ich biss mir auf die Unterlippe. Hätte ich doch bloß nicht
davon angefangen!
Es könnte auch ein Notfall
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