Meeresrauschen
mich an. »Gordy und du, ihr
seid aber nicht
normal
, stimmt’s?«
»Genau«, bestätigte ich. »Gordy ist ein Plonx. Er hat keine
Außenhülle mehr. Und wenn er sich im Wasser aufhält, ist es
für jeden Menschen ersichtlich, dass er ein Nix ist. Und bei
mir ist es das Gleiche.«
Ruby nickte. »Aber du wirfst einen Schatten und Gordy
nicht.« Sie deutete zum Himmel, über den sich immer dickere
graue Wolken schoben. »Was bei diesem Wetter zum Glück
kein Problem ist.«
»Nicht, was die Menschen angeht«, entgegnete ich. »Aber
Tyler hat Gordian natürlich trotzdem erkannt.«
»Als Plonx oder als Delfinnix?«, fragte Ruby.
»Keine Ahnung«, erwiderte ich, überrascht, dass mir dieser
Gedanke noch gar nicht gekommen war.
»Das spielt in diesem Fall keine Rolle«, klinkte Gordy sich
ein. »Für Tyler zählt nur eins: Einer
meiner
Arti hat seine
Freundin
geschändet und getötet.«
In Rubys Augen blitzte Zorn auf. »Warum hat er sich überhaupt
auf ein Menschenmädchen eingelassen?«, stieß sie hervor.
»Ich meine, er muss doch gewusst haben, welches Risiko er
damit eingeht. Und jetzt ist Lauren tot.« Sie presste die Zähne
in ihre Unterlippe, konnte aber nicht verhindern, dass diese
zu zittern begann. Mit dem nächsten Wimpernschlag kullerte
eine Träne über ihre Wange.
Ich wollte sie an mich drücken, aber da hatte Ashton bereits
seine Arme um sie geschlossen. Ruby schmiegte ihr Gesicht in
seine Halsbeuge, und ich sah, wie ihr Körper von Schluchzern
geschüttelt wurde.
»Ist ja gut«, murmelte Ashton, während er mit seinen Händen
über ihren Rücken fuhr. »Ist ja gut … verschissene Hundekacke!
«
Aber es stimmte nicht, gar nichts war gut.
Kyan hatte Lauren und Bethany getötet und die Menschen
hatten Elliot abgeschlachtet. Sie taten es, obwohl er in seiner
menschlichen Gestalt war, und behaupteten nun wider besseres
Wissen, dass sie einen Delfin getötet hätten. Kyan, Zak und
Liam hatten Cyril angegriffen und schwer verletzt zurückgelassen.
Tyler sann auf Rache für Lauren, und Jane hatte sich aufgemacht,
Javen Spinx zu finden, obwohl sie seit vielen Jahren
nicht mehr im Meer gewesen war.
Aus welchem Grund hat sie sich für ein Leben ausschließlich an
Land entschieden? Wieso ist das überhaupt möglich für sie? Und
warum versteckt sie Bo in einem Teich? Dürfen noch nicht einmal die
Hainixe wissen, dass es ihn gibt?
Ich habe keine Ahnung, Elodie,
war Gordys Antwort.
Ich weiß
nur eins:
Heute Nacht wird sich alles entscheiden.
Nachdem Ruby sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, entschieden
sie und Ashton, zu ihm nach Hause zu fahren, wo
Ruby dann auch übernachten wollte. Ich hatte den Augenblick,
in dem ich wieder mit Gordy allein war, kaum erwarten
können, denn bisher hatte er keine einzige der Fragen beantwortet,
mit denen ich ihn gedanklich bestürmt hatte.
»Wieso heute? Was ist mit dieser Nacht? Und was, Gordy –
was wird sich entscheiden?«
Er schüttelte nur den Kopf, wartete nicht einmal, bis ich das
Fahrrad abgestellt hatte, sondern lief auf das Cottage zu und
schlüpfte durch die Tür ins Haus.
»Verdammt noch mal!«, fluchte ich. Es machte mich wütend,
wenn er nicht mit mir redete, vor allem aber machte es
mir Angst.
Ich kümmerte mich nicht um Tante Grace, die gerade frisch
gewaschene Bettwäsche und Handtücher für die ersten Feriengäste
auf die Leine hängte und mich mit einem Stirnrunzeln
bedachte, sondern folgte Gordian hastig durch den Flur und
die Treppe hinauf in mein Zimmer.
»Was ist heute Nacht?«, schrie ich, nachdem ich die Tür hinter
mir zugeschlagen hatte.
»Schsch«, mahnte er, nahm mich in den Arm und legte mir
seine Hand über den Mund. »Neumond«, sagte er dann.
Und was bedeutet das?
Er lächelte bitter.
Kannst du dir das nicht denken?
Doch, das konnte ich. Zu- und abnehmender Halbmond,
Neumond und Vollmond waren die Phasen, in denen Kyan,
Zak und Liam versuchen könnten, das Meer zu verlassen.
»Der volle Mond hat zwar die größte Kraft, die Finsternis,
die bei Neumond herrscht, bietet jedoch die Chance, unbemerkt
an Land zu gehen«, sagte Gordy, während seine Finger
sanft meinen Hals hinunter und über meine Schulter glitten.
»Wie ich Kyan einschätze, wird er sich das zunutze machen. So
oder so bedeutet dieses Unterfangen ein großes Risiko für ihn,
denn er kann nicht sicher sein, ob es ihm ohne mich gelingt.
Wenn es schiefgeht, wird er seine Führungsposition in der Allianz
oder sogar sein Leben verlieren.«
»Okay.« Energisch
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