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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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wunderschön», sagte sie.
    Adrian drückte ihre Hand. «Ich danke dir», sagte er. «So empfinde ich es auch. Ich bin gerne hier oben. Viele finden das verrückt.»
    Sie schüttelte den Kopf. Neben einem Farnbusch, dicht bei der Platte von Jonas Ames fanden sie einen guten Platz und ließen sich nieder. Zu Adrians Erleichterung hielten die Vögel Abstand. Nur ein paar späte Bienen umsummten sie, und ein Zitronenfalter taumelte zwischen den letzten Blüten umher. Sie lagen in der Sonne, küssten einander und schwiegen. Was sie nicht sagten, verriet ihnen ihr Herzschlag. Das Blut rauschte in ihren Adern, wenn sie einander umschlangen. Ondras Hand wanderte, während Adrian in ihrem Arm döste, hinüber zu dem Gedenkstein, der an Jonas erinnerte. Sacht strich sie über die kleine Bronzefigur, die darauf angebracht war.
    «Adrian?», fragte sie und hatte Angst, er könnte, da sein Kopf an ihrer Brust lag, erlauschen, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte.
    «Mmmh», brummte er, glücklich, im Halbdämmer zu liegen und dabei ihre Wärme und ihren Geruch zu genießen.
    «Adrian, warum ist auf dem Grab von deinem Onkel ein Meermann?»
    Adrian blinzelte; schließlich richtete er sich auf. «Du meinst, es ist ein Mann?», fragte er und fuhr seinerseits mit dem Finger über die kleine Gestalt. «Stimmt», stellte er dann fest, «sie hat keine … äh …» Seine Hand hatte sich zwar bereits schüchtern unter ihr Shirt verirrt, aber auszusprechen wagte er das Wort noch nicht.
    «Brüste», stellte sie fest.
    «Irgendwie denkt man immer nur an Meerjungfrauen.» Adrian errötete. «Dabei sind die vermutlich auch nicht unbedingt … Ich meine, wer glaubt schon, dass die Loreley Jungfrau war, zum Beispiel.» Mist, was redete er da. Er errötete noch tiefer.
    «Loreley», sagte Ondra ernst, «war ein publicitygeiles Miststück und hat uns allen sehr geschadet. Typisch Süßwasser.» Sie zog die Stirn kraus. «Und ich sage jetzt nichts gegen Deutsche.»
    Als sie Adrians Gesicht bemerkte, fügte sie rasch hinzu: «Ein Scherz!»
    «Oh», sagte Adrian.
    «Tja», erwiderte Ondra.
    Wie gut, dass man einander einfach umarmen und die Wörter weglassen konnte. Nach einer Weile erklärte Adrian: «Die Figur hat Tante Rose anbringen lassen. Ich denke mal, weil Jonas dem Meer so verbunden war.»
    «Sie ist sehr hübsch.» Ondra nahm allen Mut zusammen. «Du bist sehr hübsch.»
    «Ach, Christy.»
    Es war schon später Nachmittag, als sie sich an den Abstieg zum Bootshaus machten. Je näher sie kamen, desto schweigsamer wurde Adrian. Er nahm Ondras Hand und ließ sie gar nicht mehr los, auch dort nicht, wo der Weg zu schmal war, um nebeneinanderzugehen. Erst als sie auf der kleinen Wiese des Talgrundes mit seinen alten Obstbäumen standen, vergaß er, sich an sie zu klammern.
    «Was ist das?», fragte Ondra hinter ihm und griff nach einem Apfel.
    «Boskop», antwortete Adrian, ohne zu zögern. Er wusste gar nicht, dass er das Wort kannte. Aber er hörte eine Frauenstimme den fremden Namen nennen, er sah die Sonne zwischen den Zweigen blitzen und hörte ein Kind lachen – sich selbst?
    «Adrian?», fragte Ondra besorgt und trat neben ihn. Sie nahm seinen Arm. Sein Blick, obwohl er sich ihr zuwandte, war abwesend, er schien nicht genügend Luft zu bekommen, und seine Bewegungen waren unsicher.
    «Setz dich.» Sacht zwang sie ihn ins Gras. «Du hast einen Tiefenrausch.» Es war genau wie bei denjenigen, dachte sie, die zu schnell in die großen Tiefen vorgedrungen oder zu hastig wieder aufgetaucht waren. Auch Meermenschen kannten das Phänomen – wenn es wirklich weit, weit in den Abyssus hinabging, dorthin, wo die meisten von ihnen normalerweise nicht lebten. An die anderen wollte sie lieber nicht denken. Und sie wusste, dass es Menschen noch viel leichter und härter traf.
    Adrian schüttelte den Kopf, um zu sich zu kommen. «Tiefenrausch?»
    Ondra massierte ihm die Schultern. «Du bist zu schnell zu tief in die Vergangenheit vorgedrungen, Liebster.» Sie sprach das Wort zum ersten Mal aus, sie sagte es zögernd. Es klang so fremd. Aber war es nicht einfach wahr? Er war ihr das Liebste auf der Welt.
    Adrian lächelte, als er es hörte, griff nach ihrer Hand und küsste ihre schlanken Finger.
    «Und wir werden jetzt einfach in ganz langsamen Etappen weitermachen», sagte Ondra. «Stück für Stück. Dann wird das schon.»
    «Heh! Du klingst wie eine Krankenschwester!»
    «Selber heh!» Ondra schlug leicht nach ihm. «Ich bin weder deine

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