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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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Luft schnappen ließ und vor Sehnsucht beinahe seufzen und von der sie noch nicht wusste, wohin genau sie sie tragen würde.
    Es wäre das erste Mal, dass Ondra das nicht ganz allein bestimmte. Etwas würde geschehen mit ihnen beiden, etwas Atemberaubendes. Und sie würde ihm erlauben müssen, sie einfach davonzutragen. Ondra war sich nicht sicher, ob sie das wirklich wollte. Gleichzeitig sehnte sie sich nach nichts anderem mehr. Es war, wie auf einer hohen Klippe zu stehen und sich bereitzumachen für den Sprung.
    «Einen Spaziergang?», fragte sie zurück, nahm den Mund voll Wasser und spuckte eine Fontäne.
Spazier
war ihr unklar, aber
Gang
hatte etwas mit gehen zu tun. Gehen konnte sie, dabei würde nicht allzu viel passieren. «Gerne», antwortete sie daher. «Gib mir fünf Minuten.» Den Satz hatte einmal einer der Jungen am Strand benutzt. Sie wusste nicht genau, was er bedeutete. Aber offensichtlich hatte er damit gemeint, sie solle auf ihn warten. Was sie natürlich nicht getan hatte.
    Sie stieg aus dem Wasser und trat an den Spiegel. Mit der Hand wischte sie über die beschlagene Oberfläche, um einen Blick auf ihren tropfend nassen Körper zu werfen. Prüfend hob sie die Arme über den Kopf. Sie war schlank, sie war biegsam. Ihre Beine waren lang. Ob ihm das gefiel? Für Meerjungfrauen war sie Mittelmaß, der Busen etwas zu groß und die Arme zu schmal. Man schätzte es athletisch unter Wasser und stromlinienförmig, und sie hatte sich immer ein wenig für ihre Oberweite geschämt. Die Bilder in den Zeitschriften, die in Roses Küche herumlagen, brachten sie aber auf die Vermutung, dass es über Wasser anders sein könnte. Hoffnungsvoll wendete sie sich hin und her.
    «Adrian!», rief Rose entrüstet.
    Erschrocken richtete er sich auf. «Irgendwas stimmt mit dem Schloss nicht», sagte er errötend und rüttelte Bekräftigung heischend an der Badezimmertür.
    «Ich komme gleich», tönte es von drinnen.
    Rose drückte ihm den Korb mit der Wäsche in die Hände. «Ins Begonienzimmer», sagte sie und ging. Adrian folgte ihr ohne Widerspruch.
    Eine halbe Stunde später saßen sie alle um den Küchentisch. Ondra lange kräftig zu; es gab Sponge, einen süßen Auflauf, den Rose ihr zuliebe zubereitet hatte, ihre Schwäche für Süßes war ja offensichtlich.
    «Mmmmh.» Ondra schwelgte.
    Adrian stocherte in seiner Portion. Fisch und Chips wären ihm lieber gewesen, was er auch aussprach.
    «Was sind Chips?», fragte Ondra.
    «Kartoffeln», sagte er und fügte, als sie ihn groß anschaute, hinzu: «Die runden Dinger, die unter der Erde wachsen.»
    «Erde!», rief Ondra. «Oh, Erde ist großartig.» Sie hatte den Vormittag mit Rose im Garten verbracht, neugierig an allen Blüten geschnuppert, sich die Namen der Rosen nennen und ihre Geschichten erzählen lassen und schließlich gefragt, ob sie helfen könne. Rose hatte ihr eine kleine Hacke und ein Messer besorgt und sie angewiesen, das Unkraut zu entfernen. Und Ondra hatte gearbeitet. Wie eine Wilde hatte sie, Messer und Werkzeug bald beiseitelegend, mit beiden Händen im Erdreich gewühlt, hatte es zwischen ihren Fingern zerkrümelt, ihre Nase hineingesteckt und seinen Duft tief eingeatmet. Wenn niemand hinschaute, hatte sie auch davon gekostet. Regenwurm, fand sie, schmeckte beinahe so gut wie Fisch.
    Adrian hatte ihr vom Fenster aus zugesehen, sooft ihn die Einfälle bei der Arbeit verließen, und das war oft gewesen. Aber er kam nicht dazu, es zu bereuen. Ihre kindliche Freude war ansteckend gewesen, und schließlich war er hinuntergegangen, hatte ihr die Erdkrumen von der Nase gewischt und sie in die Arme geschlossen, in die sie sich schmiegte, als hätte sie immer schon hineingehört.
    «Horch mal», hatte sie dann gesagt und am Stängel einer Fingerwurz gezogen. Mit einem leise krachenden Geräusch war sie aus der Erde gefahren. «Ist das nicht total befriedigend?» Sie hatte ihn so angestrahlt, dass er sie gleich noch einmal geküsst hatte. Da er gleich darauf in die Knie ging, um mit ihr Seite an Seite Unkraut zu rupfen, hatte seine Tante nicht gegen das Geturtel protestiert. Und so hatten sie den Vormittag über gerupft und geküsst und die Stirnen aneinandergelegt. Bis es Zeit zum Essen und damit zum Baden war.
    «Erde», seufzte Ondra.
    «Vermutlich könnte man dir einen Teller Mutterboden servieren, und du wärst glücklich.»
    «Mit Regenwürmern, warum nicht.» Sie lachte.
    Adrian war nicht zufrieden. Auf dem Anrufbeantworter war eine Botschaft von

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