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Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
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wurde ihr Blick weich. «Er war der beste Mann, den man sich denken kann», sagte sie leise.
    «Und er kam aus dem Meer, nicht wahr?», fuhr Morningstar fort. «Ich habe diese Muster betrachtet, wieder und wieder. Ich habe Fische herangezogen, Schwämme, Korallen, ich habe alles studiert. Und obwohl es einander nur von ferne ähnelt, bin ich doch überzeugt, dass es verwandt ist. Es ist der Ozean, nicht wahr?», drängte er und verschlang dabei Ondra mit den Augen, die langsam näher kam und eine Wasserspur auf dem Boden zurückließ. «Sie sind ein Wasserwesen, nicht wahr?»
    «Nicht mehr», sagte Ondra. Sie hob die MagLite-Taschenlampe Morningstars auf, die jetzt nutzlos herumlag, und hielt sie sich vors Gesicht, sodass der Strahl ihre Augen traf. Die Pupillen zogen sich nur kurz ein wenig zusammen, um sich sofort wieder zu weiten. Groß und schwarz und unendlich tief starrten sie den Pathologen an. Der starrte mit angehaltenem Atem zurück. «Mein Hund», stammelte er, «der dumme Kerl, der hat es gemerkt.»
    Ondra griff nach einem Messer und richtete es auf Morningstar. Zusätzlich hob sie die schwere Lampe in ihrer Linken und holte zum Schlag aus. «Rose», sagte sie. «Im Schrank sind noch Gürtel. Fessle seine Hände und Füße.»
    Die alte Frau schüttelte den Kopf, als bemühe sie sich, aus einem Traum zu erwachen. Dann stand sie auf und gehorchte.
    Morningstar schaute Ondra fest in die fremden Augen. «Werden Sie mich töten?», fragte er. «Ich möchte es nur wissen, weil ich Sie bitten will, mir vorher noch alles zu erzählen.»
    «Natürlich töten wir Sie nicht, seien Sie nicht melodramatisch», sagte Rose, während sie den ersten Gürtel festzog. Dann wurde ihr bewusst, was sie da tat, und sie schaute über die Schulter zu Ondra. «Das werden wir doch nicht, oder, Christy? Ich meine, das ist ja absurd. Huch, sieh nur, das war Lilys Lieblingsgürtel. Sie trug ihn immer zu der gestreiften Sommerhose.»
    «Es ist so», sagte Ondra und kam näher, «dass es uns gibt und die anderen. Und nichts dazwischen außer der Seite, die man wählt.»
    «Uns.» Morningstar hauchte das Wort. «Es gibt mehrere von euch, wie in den alten Mythen! Es ist alles wahr. Mein Gott.»
    «Wahrheit», sagte Ondra, «ist ein großes Wort.»

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32. Kapitel
    Adrian und Maud schlenderten am Kai entlang. Es wehte ein leichter Wind, und die Positionslichter der Boote draußen tanzten auf und ab. Backbord leuchtete rot, Steuerbord grün. Vom Mast schien eine Laterne. Hinter ihnen spannte Broxton seine Girlanden über die Hügel. In der Ferne, hinter Cape Homeless, glänzte der Himmel rötlich und verriet, dass dort Städte lagen, die größer als Broxton waren. Aber sie waren fern, und um sie herum war alles still bis auf den regelmäßigen Anschlag der Wellen. Vor ihnen im Halbdunkel kauerte ein Rudel Katzen, die hingebungsvoll an dem herumkauten, was die Fischer ihnen tagsüber hingekippt hatten. Als ihre Schritte, die von Adrian leise und Maud mit lautem Absatzklappern, näher kamen, hoben sie die Köpfe und verschwanden lautlos in der Nacht.
    Mauds Haare flatterten leicht, Adrian sah es und dachte, dass er zu einer anderen Zeit das Bedürfnis gehabt hätte, sie ihr hinters Ohr zu streichen. Fast kam etwas wie Wehmut in ihm auf. «Du hast das Haar von ihr bekommen, als sie in deiner Pension war, nicht wahr?»
    Maud seufzte. «Dass du gerade jetzt davon anfangen musst, Adrian. Es ist ein so schöner Abend. Sieh nur, der Große Wagen.»
    Adrian folgte ihrem Finger. Und es war wahr, die Sterne leuchteten, wie sie es nicht oft taten. Der Mond hatte bereits wieder abgenommen, in den wenigen Tagen schon war er fast wieder halbiert, und bald würde er nicht mehr sein als ein dünner abgeschnittener Fingernagel. Adrian mochte den Vergleich, Rose hatte ihn in seiner Kindheit oft angestellt. Er mochte den neuen Mond, und er mochte die Nächte hier, in denen er so oft alleine auf einem Felsen gesessen hatte. Jetzt war er nicht mehr alleine.
    «Wenn du es unbedingt wissen musst: Sie wollte das Klo benutzen, und als ich später aufräumte merkte ich, dass sie auch meine Haarbürste gebraucht hatte. So.» Sie kuschelte sich an ihn. «Mir ist ein bisschen kalt.»
    «Das tut mir leid», murmelte er automatisch und legte den Arm um sie. Sie roch gut, es fühlte sich nicht schlecht an.
    Mauds Hand wanderte zärtlich über seine Brust. «Du wirst sehen, ich werde nicht schlecht zu dir sein.» Sie fand die Stelle zwischen Kragen und

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