Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Meerestochter

Meerestochter

Titel: Meerestochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Serena David
Vom Netzwerk:
tust du hier?», wiederholte sie ihre Frage, während sie mit den Fingern im Gras herumspielte.
    «Ich habe hinter Michael Kincaids Grabstein gekotzt», antwortete Adrian wahrheitsgemäß. «Ich mach es morgen weg. Und du, was tust du?»
    «Ich habe einen Pathologen aus dem Schrank gelassen.» Sie wirkte höchst zufrieden.
    «Na, dann ist es ja gut.» Adrian wurde ärgerlich. «Du hast ja echt schlimmer geladen als ein Seemann auf Landgang.»
    «Zuerst ging ja das Licht aus. Aber dann stellte sich heraus, dass es nur die Sicherung war. Und Christy hatte ja auch Michaels Taschenlampe. Und da hat sie mir geleuchtet, und dann …»
    «Christy?» Adrian horchte auf. «Du warst mit Christy zusammen?»
    Sie schaffte es, sich aufzurichten und ihn anzusehen, streng, wie sie glaubte. Nur ihr Kopf schwankte ein wenig.
    Christy! Mit einem Schlag war Adrian klar, was in seinem Leben alles schieflief. Was auch immer geschah, er durfte doch niemals sie verraten und ihre Liebe! Er durfte sie nicht aufgeben. Er musste Christy finden, mit ihr sprechen, ihr alles erklären, den Stier bei den Hörnern packen. Es durchstehen. Auf das Geld scheißen, zur Not. Das war der richtige Weg. Und er wusste, sie würde bei ihm sein, sie musste bei ihm sein, er würde zugrunde gehen ohne sie, das wusste er nach nur einem Abend fern von ihr. Zum Teufel mit Maud und Ned und Patrick und dem Siren’s Pub und ganz Broxton dazu. Das war nicht sein Leben. Christy war sein Leben. Sie war es gewesen vom ersten Moment an, als er sie nackt hatte zwischen den Bäumen stehen sehen. Das Bild hatte sich ihm eingebrannt, so wie alle anderen: ihr gemeinsamer Spaziergang, ihr Picknick, sie auf seinem Bett, in seinen Pullover gekuschelt. Ihr seltsamer, zugleich wilder und kindlicher Blick, ihre verlorene und doch so vertraute Art. Wie sie einander nahe waren, ohne ein Wort sagen zu müssen.
    ‹Sei geduldig›, das hätte er ihr sagen sollen. ‹Sei geduldig, sprich zu niemandem und vertrau mir. Denn du bist mein Leben.›
    «Ich hab’s mir nicht zugetraut», murmelte Adrian. Und vielleicht war da ja ein Teil in ihm gewesen, der tatsächlich mit dem Broxtoner Leben geliebäugelt hatte. Er wurde rot im Dunkeln.
    «Was sagst du?» Roses Zunge schleifte ein wenig.
    «Wie? Oh!» Adrian wurde jetzt erst bewusst, dass er laut gesprochen hatte. Er nahm Rose, die sich bemühte, wieder auf die Beine zu kommen, bei den Händen. «Tante», begann er, «liebste, beste Tante, sag mir nur: Wo ist Christy? Ist sie im Cottage?»
    Rose schien nachdenken zu müssen. Dann schüttelte sie den Kopf.
    «Wo dann?», beharrte Adrian, der mit einem Mal das Gefühl hatte, keine Zeit mehr verlieren zu dürfen. «Im Ort? Bei ihrer Freundin?»
    «Ich werde zu Jonas gehen», verkündete seine Tante und machte ein paar Schritte in Richtung des Grabsteins ihres Mannes.
    Adrian sah erst jetzt, dass sie Rosen dabeihatte. «Er ist nicht da drin, das weißt du doch», rief er ungeduldig.
    Sie schüttelte den Kopf wie ein Kind. «Aber hier drin ist er», widersprach sie und klopfte sich auf die Brust.
    «Und Christy?»
    Er sah so bemitleidenswert aus, dass ihr Blick weich wurde. Sie fuhr ihm durch das Haar. «Ach, Adrian, das hättest du wirklich nicht tun dürfen.»
    «Ich weiß, Tante, ich weiß. Ich mach’s wieder gut, Ehrenwort.» Er trat innerlich von einem Fuß auf den anderen. «Aber jetzt sag endlich, wo ich sie finden kann. Komm schon.»
    «Du hättest wirklich nicht …»
    «Tante!»
    «Ich mein ja nur.»
    Adrian formte mit den Lippen das Wort ‹wo›.
    «Tja, also …», begann Rose endlich. Sie legte den Finger an die Wange.
    «Ja?»
    Seine Tante zog ein bedauerndes Gesicht. «Also, sie war im Bootshaus. Aber», rief sie, schon ein wenig lauter, da Adrian sich bereits umgedreht hatte und loslief.
    «Bleib hier!», versuchte Rose ihn aufzuhalten und stolperte hinter ihm her zur Straße hinauf. Das hatte doch alles keinen Zweck. Vor über einer halben Stunde hatte sie das Mädchen verlassen, da war es schon beim Packen gewesen, und Christy hatte ja nun nicht wirklich viel. «Tut mir leid», murmelte Rose und sog den Duft ihrer Blumen ein. «Ich fürchte, sie ist mit Michael weg. Ach, da schau, da sind sie ja noch!»
    Alles, was Adrian sah, waren die Lichtreflexe auf dem Lack eines großen dunkelblauen Jaguars, der mit steigender Geschwindigkeit auf die Umgehungsstraße hinaussteuerte.
    Rose warf eine Kusshand hinterher und winkte. Im Rückfenster wurden ein blasses Gesicht und eine

Weitere Kostenlose Bücher