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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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mich vor einer grünen Holztür wieder fand, die geradewegs ins Erdreich des dahinterliegenden Hügels zu führen schien. Einen Moment lang verharrte ich auf der Stelle, dann drückte ich kurzerhand die Klinke herunter.
    Die Tür war abgeschlossen.
    Leise fluchend legte ich mein Ohr dagegen, in der Hoffnung, irgendetwas aufschnappen zu können. Worte vielleicht oder wenigstens Stimmen. Und einmal mehr fragte ich mich, was Javen Spinx ausgerechnet an diesem Ort zu suchen hatte. Aus einer beeindruckenden Projektarbeit, die vier meiner Klassenkameraden vor ungefähr einem Jahr im Geschichtsunterricht präsentiert hatten, erinnerte ich, dass die Deutschen während des Zweiten Weltkriegs hier ihre Verwundeten versteckt und versorgt hatten. Damals waren Betten für fast tausend Personen aufgestellt worden. Diese Anlage aus unterirdischen Gängen und Krankenzimmern musste demnach ziemlich groß sein.
    Ich hatte mich gerade auf die Zehenspitzen gehoben, um mir ein genaueres Bild von der Umgebung zu machen, als ich ein scha bendes Geräusch an der Holztür vernahm.
    Wie von einem Gummi abgeschossen, sprang ich über einen prächtig blühenden Hortensienstrauch und duckte mich dahin ter weg.
    Die Tür öffnete sich unter einem leisen Quietschen und Javen Spinx trat heraus.
    Instinktiv hielt ich den Atem an. Ich fürchtete, dass er mich wittern konnte, wenn ich mich in seiner unmittelbaren Nähe befand, und betete zu Rubys großem Meeres-Manitu, dass genau dies nicht geschah.
    »Ich kann mich also auf dich verlassen?«, drang Javens Stimme zu mir vor.
    »Ja, natürlich«, kam es dunkel und ein wenig rau von einem anderen Mann zurück. »Mir ist allerdings schleierhaft, wie du die Leute dazu bringen willst, sich in diese Gemäuer zu begeben. Die meisten, die sich das hier ansehen, sind froh, wenn sie wieder draußen sind. Der Gedanke, mehrere Tage in Feuchtigkeit und Kälte und bei diesen fürchterlichen Lichtverhältnissen ausharren zu müssen, schreckt viele ab. Niemand hier erinnert sich gerne an den Krieg und die Zeit der Besatzung.«
    »Das ist mir klar«, entgegnete Javen Spinx. »Hauptsache, du kümmerst dich um die Einlagerung von Lebensmitteln und De cken, den Rest lass meine Sorge sein. Ohnehin können wir nur einen Bruchteil der Inselbewohner hier unterbringen. Ich werde mit dem Lieutenant-Governor beraten, wie wir das am besten organisieren.«
    Einige quälend lange Sekunden verstrichen, in denen ange spanntes Schweigen herrschte und ich nur mein Herz klopfen hörte. Schließlich räusperte sich Javens Spinx’ Gesprächspartner und sagte: »Ich persönlich halte diese Geschichte ja für total über zogen. Du weißt hoffentlich, was du tust.«
    »Ich war in der Rechtsmedizin«, zischte Javen. »Ich habe dieses Monster mit meinen eigenen Augen gesehen. Seitdem halte ich es nicht nur für möglich, dass ein Teil des weltweiten Delfinbestands mutiert ist … Ich weiß es!«
    Kaltes Entsetzen platzte in meine Lunge, das sich in einem lei sen Keuchen entlud. Erschrocken presste ich mir die Hand auf den Mund. Hoffentlich hatten die beiden Männer das nicht ge hört!
    Dem Entsetzen folgte Fassungslosigkeit – und blanker Zorn. Ich war so wütend, dass ich mich kaum noch auf der Stelle halten konnte. Am liebsten wäre ich dem Mann, der mein genetischer Vater war, ins Gesicht gesprungen.
    Ohne jeden Zweifel: Javen Spinx redete von Elliot. Elliot, der in seiner menschlichen Gestalt aus dem Meer gefischt worden war und laut Joelles Cousin Louie angeblich im Körper eines Delfins auf einem der Seziertische in der Londoner Rechtsmedizin gele gen hatte.
    »Und du bist sicher, dass noch mehr von diesen Biestern bei uns im Kanal leben?«, vergewisserte sich der Mann mit der rauen, dunklen Stimme.
    »Ganz sicher.«
    »Und wieso ausgerechnet hier?«
    »Weil die Channel Islands von einem der saubersten Gewässer der Welt umgeben sind«, erwiderte Javen Spinx. »Die Handelsroute zwischen England und Frankreich ist zwar stark frequentiert, aber das scheint diesen Mutanten nichts auszumachen.«
    »Hm. Müssen ziemlich intelligente Wesen sein«, knurrte der andere.
    »Delfine sind Rudeltiere«, gab Javen Spinx zurück. »Sie rauben und jagen in großen Allianzen. Man kann wohl davon ausgehen, dass dieses Verhalten in der Genese der Mutanten erhalten geblie ben ist. Hier von übergroßer Intelligenz zu sprechen, wäre sicher übertrieben. Vorstellbar, nein, sogar wahrscheinlich ist es jedoch, dass es eine Art Anführer gibt.«
    »Der dem

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