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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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geworden wie das Einströ men von Luft in meine Lunge. Ich lief und schwamm, so schnell ich konnte, beherrscht von einem einzigen, alles dominierenden Gedanken: Javen Spinx durfte mir unter gar keinen Umständen entwischen.
    Dachte ich anfangs noch, dass er mich mit einem seiner zahl reichen Talente dazu gebracht hatte, ihm zu folgen, so war ich bereits nach den ersten Flossenschlägen vom genauen Gegenteil überzeugt, nämlich, dass er mir um jeden Preis zu entkommen versuchte.
    Javen war schnell, sehr schnell für einen gewöhnlichen Nix, und es kostete mich große Anstrengung, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Manchmal erkannte ich nur an einem unnatürlich hin und her wogenden Seegrasbüschel, einem aufgeschreckten Heringsschwarm oder der kaum merklichen Veränderung der Wassertemperatur, dass er kurz zuvor an eben dieser Stelle gewesen sein musste. Meine Fähigkeit, Seemeilen in rasender Geschwindigkeit zurückzulegen, nützte mir in diesem Fall wenig, denn Javen Spinx’ Vorsprung war schon beim Verlassen von Little Sark zu groß gewesen. Viel zu schnell war er hinter einem Riff verschwunden, sodass ich, noch gar nicht richtig in Fahrt gekommen, mein Tempo bereits wieder zurücknehmen musste, um die Spuren, die er hinterlassen hatte, erkennen und lesen zu können.
    Eines aber war für mich zum Glück schon nach kurzer Zeit klar: Das Ziel, das er ansteuerte, lag weder auf dem Festland noch im offenen Kanal oder gar im Atlantik, nein, Javen hielt eindeu tig auf die Ostküste von Guernsey zu. Und als ich sie erreichte, offenbarte sich mir mein eigentliches Handicap: Ich hatte keine Kleidung.
    Verborgen hinter einem der großen würfelförmigen Felsbro cken unterhalb des Gemäuers von Castle Cornet, musste ich hilf los mit ansehen, wie Javen Spinx ein Bündel aus einem Steinvor sprung hervorzog und kurz darauf in einem hellen Leinenanzug und Lederslippern den Pier entlang in Richtung Hafen davoneilte.
    Mir blieb jetzt nichts anderes übrig, als mir wie sonst auch mit meiner Haihaut zu behelfen. Immerhin kam mir entgegen, dass die Nacht hereingebrochen war und sich kaum noch Leute auf den Straßen befanden. Meinen nackten Leib, so gut es ging, mit der Haut umwickelt, raste ich quer durch St Peter Port und über St Andrew nach Westen. Und nun war ich plötzlich im Vorteil.
    Die Sohlen von Javens Slippern verursachten ein leises Klacken auf dem Asphalt, ich hingegen bewegte mich auf meinen nackten Füßen völlig lautlos. In Momenten, in denen ich ihn aus den Au gen verlor, folgte ich ihm nach Gehör, während er sich niemals sicher sein konnte, ob ich ihm noch auf den Fersen war. In regel mäßigen Abständen blickte er sich um, doch ich war vorsichtig ge nug, mich stets im Schatten von Häusern und Bäumen zu halten, sodass er mich nicht bemerkte.
    Nachdem wir St Andrew hinter uns gelassen hatten, schaute Javen Spinx kein einziges Mal mehr über seine Schulter zurück. Offenbar war er überzeugt, mich abgehängt zu haben. Unterdessen reifte in mir die Überzeugung heran, dass er zum Flughafen wollte. Soweit mir bekannt war, starteten und landeten auf Guern sey nachts zwar keine Flieger, aber vielleicht hatte Javen ja einen Charterflug organisiert.
    Möglich war natürlich auch, dass er seine Unterlagen und wei tere Kleidungsstücke in einem Gepäckfach aufbewahrte – dann allerdings verstand ich nicht, warum er sich so konspirativ ver hielt. Noch irritierter war ich jedoch, als er unvermittelt die Stra ße verließ und nach links in Richtung St Martin abbog. Was zum Teufel wollte er hier? Etwa einen weiteren Hainix aufsuchen, der nicht zum Treffen auf Little Sark gekommen war, damit dieser mir gegenüber seine Identität nicht preisgeben musste? Möglicherwei se sogar Tyler? Verdammt! Inzwischen hielt ich wirklich alles für denkbar.
    Es ging vielleicht vier- oder fünfhundert Meter eine schmale Straße durch hügeliges Wiesengelände entlang, dann hielt Ja ven Spinx mit einem Mal inne, sah sich noch einmal nach allen Seiten um und tauchte schließlich zwischen hoch wuchernden Pflanzenstauden mit riesigen Blättern und üppig blühenden Blü tendolden ab.
    Mir fiel ein Schild ins Auge. German Military Underground Hospital war darauf zu lesen. – Verdammt, was hatte denn das jetzt zu bedeuten?
    Ohne lange zu überlegen, hastete ich Javen hinterher, wartete lauschend vor der Blumenstaude, schob, als ich nichts hörte, die Blätter der imposanten Pflanze zur Seite und folgte einem leicht gewundenen Pfad, bis ich

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