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Meerestosen (German Edition)

Meerestosen (German Edition)

Titel: Meerestosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Schröder
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ihm erlebt hatte, und die tiefe Verbundenheit, die ich – noch immer! – zu ihm empfand, taten so weh, dass ich mir zu wünschen begann, das Meer möge gnädig mit mir sein und all das über Nacht aus meinem Gedächtnis löschen.
    Aber das Meer war nicht gnädig.
    Morgen für Morgen erwachte ich mit demselben Schmerz in meinem Herzen, der sich von dort allmählich in jede Körperzelle fraß und einen tiefschwarzen Schatten über meine Seele legte.
    Die Sehnsucht, mich in mein Innerstes zu verkriechen, war groß, doch ich gab ihr nicht nach, sondern lebte mein Leben weiter, so normal es unter diesen Umständen eben möglich war. Niemand sollte merken, wie sehr ich litt, niemand sollte sich mei netwegen ängstigen.
    Wie gewohnt ging ich Tante Grace zur Hand, ich telefonierte mit Mam und Sina und tröstete Ruby, fuhr sogar zweimal mit ihr nach St Peter Port, um Ashtons Grab zu besuchen. Natürlich redeten wir über das Fernsehinterview mit Javen Spinx und ver folgten mit Sorge die unterschwellige Hysterie, die sich mehr und mehr unter den Inselbewohnern auszubreiten schien. Es verging kein Tag, an dem in den Medien nicht über Delfinmutationen und Meermenschen berichtet wurde, und schon bald geriet auch das German Military Underground Hospital als Schutzraum für den Notfall öffentlich ins Gespräch.
    »Cyril hat versprochen, dass er auf mich aufpasst«, eröffnete Ruby mir einen Tag vor Siebenschläfer – und zunehmendem Halbmond! –, und ich hatte das Gefühl, dass sie es schon eine ganze Weile mit sich herumgetragen, ihr bisher nur der Mut ge fehlt hatte, es mir zu sagen.
    »Glaubst du, dass ich ihm vertrauen kann?«
    »Natürlich«, erwiderte ich. »Cyril wird nicht zulassen, dass dir etwas zustößt.« In diesem Punkt war ich mir trotz allem nach wie vor hundertprozentig sicher. »Außerdem glaube ich nicht, dass wirklich etwas Dramatisches passiert.«
    »Weil du Kyan töten wirst?«
    »Ja, Ruby, ich oder Skint oder Javen oder Gordian. Einer von uns wird es tun, weil wir wissen, dass es keine Alternative gibt.«
    Sie nickte zaghaft. »Du hast noch immer nichts von ihm gehört, stimmt’s?«
    »Nein.«
    Es fiel mir nicht schwer zu lügen. Ich wollte nicht an ihn denken, geschweige denn über ihn sprechen, weil jede Erinnerung an meine Begegnung mit ihm und Kirby neue Wunden in meine Seele riss.
    »Cyril hat gesagt, dass er vielleicht nicht hierbleibt«, fuhr Ruby stockend fort. »Dass er vielleicht woanders hingeht … wenn alles vorbei ist.« Ihre Stimme drohte zu kippen. »Ich begreife das nicht. Ich meine, wieso will er das tun?«
    Ich hätte ihr eine Antwort geben können, doch ich schwieg dazu. Meinetwegen musste Cyril nicht von den Kanalinseln verschwinden, genauso gut konnte auch ich mir eine neue Heimat suchen. Ohne Gordy an meiner Seite war es nicht mehr wichtig, wo ich lebte, inzwischen vermochte ich mir sogar vorzustellen, dass ich doch wieder nach Lübeck zurückging.
    »Dann bitte ihn halt, dass er bleibt«, erwiderte ich leise.
    »Was?« Ruby starrte mich an. »Aber das kann ich nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil es nicht fair wäre!«
    »Ruby«, sagte ich, nahm ihre Hände und drückte sie. »Du liebst ihn doch. Und er liebt dich. Vielleicht könnt ihr jetzt noch nicht zusammen sein, weil Ashton zwischen euch steht. Aber das wird nicht bis in alle Ewigkeit so bleiben. Du hast ein großes Herz, ich weiß, du kannst Cyril lieben, ohne Ashton zu vergessen.«
    Ruby schluckte und schluckte. Tränen stiegen ihr in die Augen und eine Sekunde später fiel sie weinend in meine Arme.
    Ich drückte sie sanft, küsste sie aufs Haar und streichelte ihr über den Rücken. »Alles wird gut«, murmelte ich. »Das verspreche ich dir. Es dauert nur seine Zeit.«
    Ruby nickte und schluchzte und brauchte eine ganze Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Dann versteifte sie sich plötzlich und löste sich mit großer Entschiedenheit von mir.
    »Warum überlässt du es nicht einfach ihnen?«, fragte sie harsch.
    Ich runzelte die Stirn. »Was meinst du?«
    »Kyan umzubringen. Das können Skint und Javen Spinx und all die anderen Hainixe ganz bestimmt sehr viel besser als du. Und wer weiß, womöglich taucht Gordian ja doch noch auf. Warum also willst du dich da überhaupt noch reinhängen?«
    Ich blickte in ihre verweinten Augen und sagte: »Du hast recht, Ruby. Ich werde mich raushalten und stattdessen lieber auf meine Großtante aufpassen. Sie hat ja sonst niemanden, der sie beschüt zen kann.«
    Ich meinte das

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