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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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schmerzhaft. Gierig schnappte er immer wieder nach Luft. Mutters Griff war fest, aber das machte ihm nichts aus, denn das Wasser konnte ihm nun nichts mehr anhaben.
    Dankbar blickte er zu ihr auf, weil sie ihn gerettet hatte, aber aus ihren Augen blitzte Verachtung. Irgendetwas hatte er falsch gemacht. Wieder hatte er sie enttäuscht. Doch womit?
    Die blauen Flecke an seinem Oberarm verblassten erst Tage später.
    M usste ich denn unbedingt kommen?« Kenneth ließ sich seinen Ärger selten anmerken. Er hielt es für vernünftiger, in jeder Situation Ruhe und Fassung zu bewahren. Aber Lisbet hatte so traurig ausgesehen, als er ihr mitteilte, dass Erik angerufen habe und er einige Stunden ins Büro müsse, obwohl Sonntag war. Sie hatte keine Einwände erhoben, das war fast das Schlimmste. Das bisschen Zeit, das ihnen noch blieb, war unendlich kostbar. Trotzdem hatte sie nicht protestiert. Mit letzter Kraft hatte sie ihn angelächelt. »Kein Problem. Ich komme wunderbar allein zurecht.«
    Er wünschte, sie wäre wütend geworden und hätte ihm ins Gesicht geschrien, er solle endlich Prioritäten setzen. Aber das lag ihr nicht. Soweit er sich erinnern konnte, war sie in ihrer fast einundzwanzigjährigen Ehe kein einziges Mal laut geworden. Weder ihm noch sonst jemandem gegenüber. Schwierigkeiten und Sorgen hatte sie mit Würde getragen und sogar ihn aufgebaut, wenn er mal den Mut verlor. Wenn er keine Kraft hatte, war sie stark für zwei gewesen.
    Nun ließ er sie allein und verschwendete einige Stunden ihrer wertvollen Zeit, um ins Büro zu gehen. Er hasste sich selbst dafür, dass er wie üblich sprang, sobald Erik mit den Fingern schnippte. Es war ihm ein Rätsel. Dieses Verhaltensmuster hatte sich schon so früh herausgebildet, dass es Teil seiner Persönlichkeit war. Und immer war Lisbet die Leidtragende.
    Erik gab sich nicht einmal die Mühe, zu antworten. Teilnahmslos starrte er seinen Bildschirm an, als befände er sich in einer anderen Welt.
    Â»War es unbedingt notwendig, mich hierherzuzitieren?«, wiederholte Kenneth. »Am Sonntag? Hat das nicht Zeit bis morgen?«
    Erik drehte sich ganz gemächlich um.
    Â»Ich habe vollstes Verständnis für deine persönliche Situation«, sagte er schließlich, »aber wenn wir den Laden vor der nächsten Angebotsrunde nicht auf Vordermann bringen, können wir einpacken! Alle müssen wir Opfer bringen!«
    Kenneth fragte sich insgeheim, welche Opfer Erik für seinen Teil meinte. Und so dringend, wie er vorgab, war die Sache bei weitem nicht. Der Papierkram hätte gut und gerne noch einen Tag warten können; dass Wohl und Wehe der Firma davon abhing, war eine schamlose Übertreibung. Vermutlich hatte Erik nur einen Grund gesucht, um sich zu Hause zu verdrücken. Aber warum musste er unbedingt auch Kenneth herzerren? Die Antwort war wahrscheinlich ganz simpel: weil er es konnte.
    Verbissen wandten sie sich wieder ihren Aufgaben zu und arbeiteten eine Weile schweigend. Da das Büro aus nur einem großen Raum bestand, konnte sich keiner von beiden zurückziehen. Kenneth beobachtete Erik heimlich von der Seite. Irgendetwas war anders an ihm. Es ließ sich schwer in Worte fassen, aber irgendwie wirkte Erik weniger markant. Er sah müder aus, seine Haare saßen nicht so perfekt wie sonst, das Hemd hatte Knitterfalten. Er war nicht ganz er selbst. Kenneth wollte sich schon erkundigen, ob zu Hause alles in Ordnung war, ließ es aber bleiben. Stattdessen fragte er, so leise er konnte:
    Â»Hast du gestern diese Sache mit Christian mitbekommen?«
    Erik zuckte zusammen. »Ja.«
    Â»Das ist ein Ding! Bedroht von einem Irren!«, sagte Kenneth in entspanntem, fast lässigem Ton, doch das Herz schlug ihm bis zum Hals.
    Â»Hm …« Erik starrte noch immer auf den Bildschirm, rührte jedoch weder Tastatur noch Maus an.
    Â»Hat Christian die Geschichte dir gegenüber je erwähnt?« Es war wie bei einer verschorften Wunde, von der man nicht die Finger lassen kann. Er wollte nicht darüber reden, und Erik schien auch kein Interesse daran zu haben, aber er konnte sich nicht bremsen. »Hat er das getan?«
    Â»Nein, von Drohungen hat er nie berichtet.« Erik wühlte in den Unterlagen auf seinem Schreibtisch. »Er war ja auch völlig mit dem Buch beschäftigt. In letzter Zeit haben wir uns kaum gesehen. Außerdem behält man

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