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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Sie hatte jemanden. Wenn er sie verließ, wäre sie vollkommen allein. Die Mädchen wurden langsam groß und hielten sich nur noch sporadisch zu Hause auf. Immer auf dem Sprung zu ihren Freundinnen oder in die Schule. Sie hatten sich bereits die typische Einsilbigkeit von Teenagern zugelegt und antworteten kaum, wenn sie angesprochen wurden. Waren sie zu Hause, bekam sie von ihnen fast nur die geschlossenen Zimmertüren zu Gesicht, und das dumpfe Wummern der beiden Stereoanlagen war das einzige Lebenszeichen.
    Wieder war das Glas geleert und auch wieder gefüllt. Wo befand sich Erik jetzt? Im Büro oder bei ihr? Lag er bei ihr, wälzte sich auf ihren nackten Körper, drang in sie ein und liebkoste ihre Brüste? Zu Hause tat er das jedenfalls nicht. Seit über zwei Jahren hatte er sie nicht mehr angerührt. Anfangs versuchte sie, eine Hand unter seine Decke zu schummeln und ihn zu streicheln, aber dann stieß er sie einige Male weg und drehte sich demonstrativ auf die Seite, so dass sie sich diese Demütigung lieber ersparte.
    In der blankpolierten Kühlschranktür aus Stahl sah sie ihr Spiegelbild. Wie immer betrachtete sie sich eingehend und berührte ihr Gesicht. So schlimm war es doch noch gar nicht. Sie hatte früher richtig gut ausgesehen. Und sie hatte ihr Gewicht gehalten, sich immer ganz bewusst ernährt und verächtlich auf Frauen ihres Alters herabgeblickt, die sich mit Kuchen und Weißbrot schwabbelige Wülste anfraßen, die sie unter sackartigen Blümchenkleidern von Lindex verstecken zu können glaubten. Sie selbst konnte noch immer eine enge Jeans tragen, ohne das Gesicht zu verlieren. Prüfend hob sie das Kinn. In letzter Zeit hing es leicht. Sie hielt es noch ein wenig höher. Genau, so sollte es aussehen.
    Sie senkte den Kopf wieder. Die schlaffe Haut bildete eine ekelhafte kleine Falte, die sie sich am liebsten mit einem der teuren Messer aus dem Holzblock abgeschnitten hätte. Plötzlich widerte sie ihr eigener Anblick an. Kein Wunder, dass Erik nichts mehr von ihr wissen wollte. Dass er lieber festes Fleisch in den Händen hielt, als jemanden zu umarmen, der allmählich verfiel.
    Sie hob ihr Weinglas und schüttete den Inhalt schwungvoll gegen die Kühlschranktür, radierte ihr eigenes Bild aus und ersetzte es durch die leuchtend rote Flüssigkeit, die nun über die blanke Oberfläche rann. Vor ihr auf der Arbeitsfläche lag das Telefon. Geübt wählte sie die Nummer des Büros. Sie musste wissen, wo er war.
    Â»Hallo, Kenneth, ist Erik da?«
    Mittlerweile hätte sie daran gewöhnt sein müssen, aber sie legte wieder einmal mit klopfendem Herzen auf. Armer Kenneth. Wie oft hatte er sich in all den Jahren eine Geschichte aus den Fingern saugen müssen, um Erik zu decken. Erik sei kurz etwas erledigen gegangen, käme aber bestimmt bald zurück ins Büro.
    Sie schenkte sich das Glas voll, ohne die Lache vor dem Kühlschrank aufzuwischen, und betrat entschlossen Eriks Arbeitszimmer. Dort durfte sie sich eigentlich nicht aufhalten. Da angeblich seine Ordnung durcheinandergeriet, wenn jemand anderes den Raum benutzte, hatte er es strengstens verboten. Genau deshalb ging sie nun hinein.
    Schwankend stellte sie das Weinglas auf den Schreibtisch und zog eine Schublade nach der anderen heraus. In all den Jahren des Zweifels hatte sie ihm nie nachspioniert. Sie hatte die Ungewissheit vorgezogen. Irgendwie hatte sie sowieso immer erfahren, mit wem er gerade ins Bett ging. In Göteborg waren es zwei seiner Sekretärinnen, eine Erzieherin aus dem Kindergarten und die Mutter einer der Klassenkameradinnen ihrer Töchter. Sie hatte es an dem ausweichenden und leicht schuldbewussten Blick gemerkt, wenn sie ihr begegneten. Hatte das Parfüm wiedererkannt oder zufällig eine flüchtige Berührung beobachtet, die fehl am Platz war.
    Nun durchwühlte sie zum ersten Mal die Unterlagen in seinen Schubladen und scherte sich einen Dreck darum, ob er merken würde, dass sie hier gewesen war. Immer fester war sie davon überzeugt, dass das quälende Schweigen der letzten Tage nur eines bedeuten konnte. Er wollte sie verlassen. Wollte sie ausrangieren wie einen alten Putzlappen, einen Gebrauchsgegenstand, der seine Kinder zur Welt gebracht, ihm den Haushalt geführt und die dämlichen Menüs für seine Geschäftspartner gekocht hatte, die meistens so sterbenslangweilig waren, dass ihr schon beim

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