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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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mochte er sie. Er drückte das Kinn noch fester an den Wannenrand, lauschte und wartete darauf, dass Vater verstehen würde: Jetzt waren sie von ihr befreit. Beide, Vater und er, hatten Mutter zurück. Vater würde sich freuen, da war er ganz sicher.
    Dann wurde er von der Wanne weggeschleudert. Verdutzt blickte er auf. Im verzerrten Gesicht seines Vaters zeigten sich so viele Gefühle, dass er sie nicht deuten konnte. Froh sah der Vater auf jeden Fall nicht aus.
    Â»Was hast du getan?« Vaters Stimme überschlug sich, als er Alice aus dem Wasser riss. Unschlüssig hielt er ihren schlaffen Körper im Arm und legte ihn schließlich behutsam auf die Badematte. »Was hast du getan?«, fragte er noch einmal, ohne ihn anzusehen.
    Â»Sie wollte Mutter für sich allein.« Die Begründungen blieben ihm im Hals stecken. Nun verstand er gar nichts mehr. Er hatte geglaubt, Vater würde sich freuen.
    Vater antwortete nicht, sondern warf ihm nur einen ungläubigen Blick zu. Dann beugte er sich hinunter und drückte sanft auf die Brust des Babys. Er hielt ihr die Nase zu, blies vorsichtig in ihren Mund und drückte dann noch einmal auf den Brustkorb.
    Â»Warum machst du das, Vater?« Er merkte selbst, wie quengelig sein Tonfall klang. Er schlang die Arme um die angezogenen Knie und lehnte sich an die Badewanne. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Warum sah Vater ihn so seltsam an? Er wirkte nicht nur verärgert, sondern schien sogar Angst vor ihm zu haben.
    Vater blies immer noch Luft in Alices Mund. Ihre Hände und Füße lagen genauso reglos auf der Badematte wie vorher auf dem Grund der Badewanne. Wenn Vater die Finger auf die Brust presste, zuckten ihre Gliedmaßen manchmal, aber das waren nicht ihre eigenen Bewegungen, sondern seine.
    Als er zum vierten Mal zu blasen aufhörte und wieder Druck ausübte, zuckte ihre eine Hand. Dann kam ein Husten, und danach kam der Schrei. Der gewohnte, schrille, fordernde Schrei. Er mochte sie nicht mehr.
    Mutters Schritte auf der Treppe vom Obergeschoss. Vater drückte Alice so fest an sich, dass sein Hemd vorne klitschnass wurde. Sie schrie so laut, dass das Badezimmer bebte, und er wünschte nur noch, sie würde aufhören und wieder so still und brav sein, wie sie es vor Vaters Behandlung gewesen war.
    Während Mutter näher kam, hockte sich Vater vor ihn hin. Seine Augen waren groß und angsterfüllt, als er, das Gesicht ganz dicht an seinem, mit leiser Stimme sagte: »Wir werden nie wieder darüber reden. Und wenn du das noch einmal machst, fliegst du hier raus. Verstanden? Von nun an lässt du die Finger von ihr!«
    Â»Was ist denn hier los?« Mutters Stimme in der Tür. »Da ruht man sich ein bisschen aus, und schon bricht hier Panik aus. Was ist mit ihr? Hat er ihr was getan?« Sie wandte sich zu ihm.
    Einige Sekunden lang war nur Alices Geschrei zu hören. Dann erhob sich Vater mit ihr auf dem Arm. »Nein. Ich habe sie nur nicht schnell genug ins Handtuch gewickelt, nachdem ich sie aus dem Wasser geholt hatte. Sie ist einfach sauer.«
    Â»Hat er ihr wirklich nichts getan?« Sie starrte ihn an, aber er senkte den Kopf und tat, als wäre er mit den Fransen der Badematte beschäftigt.
    Â»Er hat mir geholfen und war ganz lieb.« Aus dem Augenwinkel sah er, dass Vater ihm einen warnenden Blick zuwarf.
    Damit schien sich Mutter zufriedenzugeben. Ungeduldig streckte sie die Arme nach Alice aus, und nach kurzem Zögern übergab Vater ihr das Baby. Als sie mit wiegenden Schritten das Badezimmer verlassen hatte, um Alice zu beruhigen, sahen die beiden sich schweigend an. In Vaters Augen konnte er erkennen, dass er meinte, was er gesagt hatte. Sie würden diesen Vorfall nie wieder erwähnen.

K enneth?« Ihre Stimme überschlug sich, als sie nach ihrem Mann rufen wollte.
    Keine Antwort. Hatte sie es sich eingebildet? Es hatte tatsächlich so geklungen, als sei eine Tür geöffnet und wieder geschlossen worden.
    Â»Hallo?«
    Immer noch keine Antwort. Lisbet wollte sich aufsetzen, aber ihre Kräfte waren in den letzten Tagen so rasch geschwunden, dass sie es nicht schaffte. Ihre letzten Reserven verbrauchte sie in den Stunden mit Kenneth. Nur, um ihm vorzugaukeln, es ginge ihr nicht so schlecht, wie es eigentlich der Fall war. Damit sie noch ein bisschen zu Hause bleiben durfte. Wo ihr der Krankenhausgeruch erspart blieb und sie nicht das raue Bettzeug auf der

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