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Meerjungfrau

Meerjungfrau

Titel: Meerjungfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
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Gedanken, mit einem von ihnen Konversation machen zu müssen, fast der Kopf platzte. Wenn er glaubte, dass sie sich wie ein waidwundes Tier kampflos geschlagen geben und keinen Widerstand leisten würde, hatte er sich geschnitten. Einige der Geschäfte, die er in den letzten Jahren gemacht hatte, würden einer näheren Prüfung nicht standhalten. Seine Frau zu unterschätzen würde ihn teuer zu stehen kommen.
    Die letzte Schublade war abgeschlossen. Sie zog und zerrte immer heftiger, aber die Lade bewegte sich keinen Millimeter. Louise musste sie unbedingt aufbekommen. Dass er sie abschloss, hatte einen Grund, irgendetwas wollte er vor ihr geheim halten. Ihr Blick schweifte über die Schreibtischplatte. Der Schreibtisch war ein modernes Möbelstück, würde mit anderen Worten nicht so viel Widerstand wie ein gediegenes altes Exemplar leisten. Ihr Blick fiel auf einen Brieföffner. Damit müsste es gehen. Sie zog die Lade so weit heraus, wie das Schloss es erlaubte, und bohrte den spitzen Gegenstand in den Spalt. Dann drückte sie. Anfangs tat sich nichts, doch als sie etwas mehr Kraft anwendete, knackte das Holz. Sie fasste wieder Mut. Schließlich löste sich das Schloss so plötzlich aus seiner Verankerung, dass sie beinahe hintenübergefallen wäre. Im letzten Moment griff sie nach der Schreibtischkante und hielt sich fest.
    Neugierig blickte sie in die Schublade. Auf dem Boden lag etwas Weißes. Sie streckte die Hand danach aus und versuchte, es zu fixieren, aber ihr Blick war ziemlich verschwommen. Weiße Umschläge. Die Schublade enthielt nur weiße Umschläge. Ihr fiel nun ein, dass sie die Kuverts schon einmal gesehen hatte, ohne darauf zu reagieren. Da sie an Erik adressiert waren, hatte sie sie auf seinen Stapel gelegt. Er öffnete seine Post, wenn er abends von der Arbeit nach Hause kam. Warum hatte er diese Briefe in einer verschlossenen Schreibtischschublade aufbewahrt?
    Louise nahm die Kuverts heraus und breitete sie vor sich auf dem Fußboden aus. Dann setzte sie sich. Fünf Stück. Eriks Name und Adresse stand in schwarzer Tinte und sauberer Handschrift darauf.
    Einen Moment lang überlegte sie, ob sie die Briefe wieder in die Schublade legen und das Ganze auf sich beruhen lassen sollte. Aber das Schloss war aufgebrochen, und Erik würde ohnehin sofort sehen, dass sie in seinem Zimmer gewesen war. Da konnte sie die Briefe auch lesen.
    Sie streckte die Hand nach ihrem Weinglas aus, weil sie jetzt den Alkohol brauchte, der ihr durch die Kehle in den Magen rann und dort die schmerzende Stelle besänftigte. Drei Schlucke. Sie stellte das Glas neben sich und öffnete den ersten Umschlag.
    Nachdem sie alle gelesen hatte, legte sie sie feinsäuberlich auf einen Stapel. Sie begriff kein Wort. Nur, dass jemand ihm etwas antun wollte. Etwas Böses bedrohte sein und ihr gemeinsames Leben, ihre Familie, und er hatte ihr nichts davon gesagt. Ein rasender Zorn, der all die Wut, die sie je empfunden hatte, bei weitem übertraf, stieg in ihr auf. Erik hatte sie nicht als ebenbürtig genug betrachtet, um sie in die Sache einzuweihen. Aber nun musste er ihr Rede und Antwort stehen. So respektlos durfte er sie nicht mehr behandeln.
    Sie setzte sich ins Auto und legte die Briefumschläge neben sich auf den Beifahrersitz. Es dauerte eine Weile, bis sie den Zündschlüssel ins Schloss gesteckt hatte, aber nach einigen tiefen Atemzügen ging es besser. Ihr war klar, dass sie in ihrem Zustand besser nicht Auto gefahren wäre, aber wie so oft brachte sie ihr Gewissen zum Schweigen und lenkte den Wagen aus der Einfahrt.

N un fand er sie fast niedlich, als sie so ruhig dalag, ohne zu schreien, ohne etwas zu verlangen oder an sich zu reißen. Er streckte die Hand aus und strich ihr über die Stirn. Die Berührung setzte das Wasser in Bewegung, die Oberfläche kräuselte sich, und Alices Gesichtszüge verschwammen.
    Vorne an der Tür schien Vater sich von dem Besuch zu verabschieden. Schritte kamen näher. Vater würde verstehen. Auch er war ausgeschlossen worden. Ihm hatte sie auch etwas weggenommen.
    Er ließ die Finger durchs Wasser gleiten und formte Muster und Wellen. Ihre Hände und Füße lagen auf dem Boden. Nur Knie und Stirn ragten aus dem Wasser.
    Nun hörte er Vater hinter der Badezimmertür. Er sah nicht auf. Plötzlich konnte er den Blick nicht mehr von ihr abwenden. So gefiel sie ihm. Zum ersten Mal

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