Meerjungfrau
Kleidung anbetraf, hatte die Gestalt, die in einiger Entfernung die StraÃe entlangwankte, eine gewisse Ãhnlichkeit mit ihrer Schwester. Ansonsten erinnerte sie eher an Barbamama. Anna blieb stehen und kurbelte das Fenster hinunter.
»Ich wollte gerade zu dir. Sieht aus, als könntest du für das letzte Stück eine Mitfahrgelegenheit gebrauchen.«
»Danke.« Erica öffnete die Beifahrertür und lieà sich schweiÃnass auf den Sitz fallen. »Ich bin völlig am Ende, weil ich meine Ausdauer grob überschätzt habe.«
»Wo wolltest du denn hin?« Anna legte den ersten Gang ein und fuhr zu ihrem Elternhaus, in dem jetzt Erica und Patrik wohnten. Beinahe wäre es verkauft worden. Anna schob den Gedanken an Lucas und die Vergangenheit schleunigst beiseite. Die Zeit war vorbei. Für immer.
»Ich war bei Havsbygg und habe mich ein bisschen mit Kenneth unterhalten.«
»Warum das denn? Ihr wollt doch nicht das Haus verkaufen?«
»Nein«, erwiderte Erica schnell. »Ich wollte mit ihm über Christian sprechen. Und über Magnus.«
Anna stellte den Wagen vor dem schönen, alten Haus ab. »Wieso?«, fragte sie, bereute aber sofort, die Frage gestellt zu haben. Die Neugier ihrer groÃen Schwester war schier grenzenlos und brachte diese manchmal in Situationen, von denen Anna lieber nichts wusste.
»Mir fiel plötzlich auf, dass ich überhaupt nichts über Christian weiÃ. Er hat nie von sich erzählt.« Ãchzend stieg Erica aus. »AuÃerdem finde ich das Ganze ein bisschen merkwürdig. Magnus ist wahrscheinlich ermordet worden, und Christian wird bedroht. In Anbetracht der Tatsache, dass die beiden alte Freunde sind, kann ich nicht recht glauben, dass es sich um einen Zufall handelt.«
»Hat Magnus denn auch Drohbriefe bekommen?« Anna betrat nach Erica den Hausflur und hängte ihre Jacke auf.
»Offenbar nicht. Davon müsste Patrik wissen.«
»Bist du sicher, dass er es dir erzählt hätte, wenn es bei den Ermittlungen herausgekommen wäre?«
Erica lächelte. »Du meinst, weil mein geliebter Ehemann so gut schweigen kann?«
»Punkt für dich«, lachte Anna und setzte sich an den Küchentisch. Wenn Erica beschlossen hatte, ihm etwas zu entlocken, konnte er es nie lange für sich behalten.
»AuÃerdem habe ich gemerkt, dass Christians Briefe neu für ihn waren, als ich sie ihm zeigte. Er hätte anders reagiert, wenn er bei Magnus etwas Ãhnliches gefunden hätte.«
»Da hast du wahrscheinlich recht. Hat Kenneth denn etwas Interessantes erzählt?«
»Eigentlich nicht. Aber es schien ihm äuÃerst unangenehm zu sein, dass ich ihn nach der Sache fragte. Offenbar handelt es sich um einen wunden Punkt, aber mir ist noch nicht richtig klar, warum.«
»Wie gut kennen sich die beiden denn?«
»Weià ich nicht genau. Ich kann nur schwer sehen, was Christian mit Kenneth und Erik gemeinsam hat. Bei Magnus verstehe ich es schon eher.«
»Ich fand auch immer, dass Christian und Sanna ein ungleiches Paar sind.«
»Stimmt â¦Â« Erica suchte nach den passenden Worten. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, schlecht über jemanden zu reden. »Sanna kommt mir etwas jung vor«, sagte sie schlieÃlich. »AuÃerdem ist sie anscheinend ziemlich eifersüchtig. Bis zu einem gewissen Grad kann ich sie verstehen. Christian sieht gut aus, und die Beziehung wirkt nicht ganz gleichberechtigt.« Sie hatte eine Kanne Tee gekocht und stellte Honig und Milch auf den Tisch.
»Was meinst du damit?«, fragte Anna neugierig.
»Ich habe die beiden zwar nicht oft zusammen erlebt, aber ich habe den Eindruck, dass Sanna Christian vergöttert, während er sie ein bisschen von oben herab behandelt.«
»Das hört sich nicht so toll an.« Anna trank einen Schluck von dem viel zu heiÃen Tee. Sie stellte die Tasse wieder ab, damit er etwas abkühlte.
»Nein. Vielleicht ziehe ich ja auch die falschen Schlüsse aus dem bisschen, was ich mitbekommen habe. Aber irgendetwas in ihrem Umgang miteinander vermittelt eher den Eindruck, dass es eine Eltern-Kind-Beziehung ist als eine zwischen zwei Erwachsenen.«
»Sein Buch läuft jedenfalls gut.«
»Und das hat er sich wirklich verdient«, sagte Erica. »Christian ist einer der begabtesten Schriftsteller, der mir je begegnet ist, und ich freue mich, wenn auch die Leser ihn
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