Meerjungfrau
Bett ging.«
»War die Haustür nicht abgeschlossen?« Erik klang noch immer kühl und bedacht.
»Ich glaube schon. Manchmal vergesse ich, abends abzuschlieÃen.«
»Meine Briefe sind jedenfalls alle mit der Post gekommen«, stellte Erik fest und blätterte in den Briefen. Dann fiel ihm etwas ein, was er in dem Artikel über Christian gelesen hatte.
»Christian hat die Drohbriefe zuerst bekommen. Vor anderthalb Jahren fing das an. Wir beide erhalten sie erst seit drei Monaten. Könnte es nicht sein, dass das Ganze mit ihm zu tun hat? Vielleicht ist er die eigentliche Zielscheibe des Absenders, und wir wurden da nur mit hineingezogen, weil wir ihn kennen.« Aus Eriks Stimme war nun Wut herauszuhören. »Der kann was erleben, wenn er mehr über diese Sache weià und uns nichts davon erzählt. Wenn er mich und meine Familie einem Verrückten ausliefert, ohne uns vorzuwarnen.«
»Er weià ja nicht, dass wir auch Briefe bekommen haben«, wandte Kenneth ein. Erik musste ihm da recht geben.
»Stimmt, aber jetzt wird er es erfahren.« Erik legte seine Umschläge feinsäuberlich zusammen und klopfte damit auf die Schreibtischplatte.
»Willst du mit ihm reden?«, fragte Kenneth ängstlich. Erik seufzte. Manchmal konnte er es nicht ertragen, dass sein Kollege derart konfliktscheu war. So war es immer gewesen. Kenneth war immer mit dem Strom geschwommen und hatte zu allem ja und amen gesagt. Im Grunde war Erik das entgegengekommen. SchlieÃlich konnte nur einer die Entscheidungen treffen. Bis jetzt hatte er das getan, und so sollte es auch bleiben.
»Natürlich will ich mit ihm reden. Und mit der Polizei. Das hätte ich längst tun sollen, aber erst seit ich aus der Zeitung von Christians Briefen erfahren habe, ist mir klar, dass die Sache ernst ist.«
»Wurde auch Zeit«, brummte Louise. Erik warf ihr einen wütenden Blick zu.
»Ich möchte vermeiden, dass Lisbet sich aufregt.« Kenneth hob den Kopf. In seinen Augen lag ein trotziges Funkeln.
»Jemand ist in euer Haus eingedrungen, hat einen Brief auf den Küchentisch gelegt und daneben ein Küchenmesser. An deiner Stelle würde mich das mehr beunruhigen, als dass Lisbet sich möglicherweise aufregt. Sie ist fast den ganzen Tag allein. Stell dir vor, die Person kommt herein, während du nicht zu Hause bist.«
Er merkte, dass Kenneth dieser Gedanke auch schon gekommen war. Die Untätigkeit seines Kollegen ärgerte ihn zwar, doch im Grunde wollte er nur die Augen davor verschlieÃen, dass er selbst nichts unternommen hatte. Andererseits war bei ihm auch kein Brief persönlich vorbeigebracht worden.
»Dann machen wir es so. Du fährst nach Hause und holst die Briefe, die du bekommen hast, und dann geben wir sie alle zusammen bei der Polizei ab, damit die sich sofort mit der Angelegenheit befassen kann.«
Kenneth erhob sich. »Ich mache mich auf den Weg. Bin gleich wieder da.«
»Alles klar.«
Als Kenneth gegangen und die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war, drehte sich Erik zu Louise um.
»Wir haben einiges zu besprechen.«
Einen Moment lang erwiderte Louise seinen Blick. Dann hob sie die Hand und gab ihrem Mann eine Ohrfeige.
I ch sage, dass mit ihr alles in Ordnung ist!«, brüllte Mutter wütend. Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen. Er stahl sich davon und verkroch sich ein Stück entfernt hinter dem Sofa, war jedoch nicht weit genug weg, um den Satz zu überhören. Alles, was Alice betraf, war wichtig.
Er mochte sie jetzt lieber. Sie sah ihn nicht mehr mit diesem Blick an, der alles haben wollte. Meistens lag sie reglos da und gab keinen Ton von sich.
»Sie ist acht Monate alt und hat noch keinen Versuch unternommen, zu krabbeln oder sich anders fortzubewegen. Wir müssen mit ihr zum Arzt«, sagte Vater leise. So sprach er nur, wenn er Mutter zu etwas überreden wollte. Er sagte es noch einmal und legte ihr dabei die Hände auf die Schultern, damit sie ihm zuhörte.
»Irgendetwas stimmt mit Alice nicht. Je eher wir Hilfe suchen, desto besser. Du tust ihr keinen Gefallen, wenn du die Augen davor verschlieÃt.«
Seine Mutter schüttelte den Kopf. Das dunkle Haar auf ihrem Rücken glänzte, und er wünschte, er hätte die Hand ausstrecken und es berühren können. Doch er wusste, dass sie das nicht wollte. Sie würde vor ihm zurückweichen.
Mutter schüttelte noch
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