Meerjungfrau
die Höhe, das Patrik erst jetzt bemerkte. »Es war dieselbe Person, die mir das hier geschickt hat.«
Durch die transparente Plastikfolie erkannte Patrik einige weiÃe Umschläge. Die Adresse war mit schwarzer Tinte geschrieben, die Schrift wirkte elegant. Genau wie die auf dem Zettel in seiner Hand.
»Wann haben Sie die erhalten?« Patriks Herz klopfte.
»Wir wollten sie Ihnen gerade bringen«, murmelte Kenneth leise und überreichte Patrik den Beutel.
»Wir?« Mit spitzen Fingern untersuchte Patrik die Briefumschläge. Es waren vier Stück.
»Ja. Erik und ich. Er hat auch solche Briefe bekommen.«
»Sie meinen Erik Lind? Hat er auch Briefe bekommen?«, wiederholte Patrik, um sicherzugehen, dass er sich nicht verhört hatte.
Kenneth nickte.
»Aber warum sind Sie damit nicht früher zur Polizei gekommen?« Patrik versuchte, sich seinen Ãrger nicht anmerken zu lassen. Der Mann vor ihm hatte soeben seine Frau verloren. Es war nicht der richtige Moment, ihm Vorwürfe zu machen.
»Ich ⦠wir ⦠Erik und ich haben erst heute begriffen, dass wir beide Briefe bekommen haben. Und dass Christian welche erhielt, haben wir erst an dem Wochenende erfahren, als die Zeitungen darüber berichteten. Ich kann nicht für Erik sprechen, aber ich für meinen Teil wollte jede Aufregung für meine â¦Â« Die Stimme versagte ihm.
Patrik warf noch einen Blick auf die Umschläge in der Folie. »Nur drei von ihnen sind mit Adresse und Poststempel versehen. Auf einem steht lediglich Ihr Name. Auf welchem Weg haben Sie diesen Brief erhalten?«
»Gestern Nacht ist jemand in unser Haus eingedrungen und hat ihn auf den Küchentisch gelegt.« Er zögerte. Patrik schwieg, weil er ahnte, dass noch mehr kommen würde. »Und daneben lag ein Messer. Diese Botschaft lässt sich wohl nur auf eine Weise deuten.« Ungeachtet der Tränen, die nun kamen, fuhr er fort: »Ich dachte, dass es jemand auf mich abgesehen hat. Warum Lisbet? Wieso Lisbet umbringen?« Er wischte sich mit dem Handrücken eine Träne aus dem Gesicht. Offensichtlich machte es ihn verlegen, vor Patrik und den anderen zu weinen.
»Wir wissen ja nicht, ob sie wirklich ermordet wurde«, sagte Patrik milde. »Aber eindeutig ist jemand hier gewesen. Haben Sie eine Ahnung, wer das gewesen sein könnte? Wer die Briefe geschickt hat?« Er lieà Kenneth nicht aus den Augen, damit ihm keine Veränderung in seinem Gesichtsausdruck entging. Soweit er es beurteilen konnte, antwortete Kenneth ehrlich.
»Darüber habe ich viel nachgedacht, seit die Briefe gekommen sind. Das war kurz vor Weihnachten. Aber mir fällt niemand ein, der mir möglicherweise Schaden zufügen will. Es gibt ganz einfach niemanden. Ich habe mir nie Feinde gemacht. Dafür bin ich zu ⦠unbedeutend.«
»Und Erik? Wie lange erhält er schon Briefe?«
»So lange wie ich. Er hat sie im Büro. Ich bin nur kurz nach Hause gefahren, um meine zu holen, und dann wollten wir Kontakt mit Ihnen aufnehmen.« Seine Stimme erstarb, und Patrik begriff, dass Kenneth sich in Gedanken wieder in dem Zimmer befand, wo er seine Frau tot aufgefunden hatte.
»Was bedeuten die Worte auf dem Zettel?«, fragte Patrik vorsichtig. »Auf was für eine âºWahrheit⹠über Sie bezieht sich der Absender?«
»Ich weià nicht«, antwortete Kenneth leise. »Ich weià es einfach nicht.« Dann nahm er einen tiefen Atemzug. »Was machen Sie jetzt mit ihr?«
»Sie wird zur Untersuchung nach Göteborg überführt.«
»Untersuchung? Sie meinen eine Obduktion.« Kenneth verzog das Gesicht.
»Ja. Eine Obduktion. Das ist leider notwendig, damit wir uns Klarheit über das verschaffen können, was hier passiert ist.«
Kenneth nickte, aber seine Augen schimmerten, und die Lippen waren blau geworden. Patrik begriff, dass sie angesichts von Kennethâ leichter Bekleidung viel zu lange drauÃen gestanden hatten.
»Es ist kalt. Sie müssen rein.« Er dachte nach. »Könnten Sie sich vorstellen, mich ins Büro zu begleiten? In Ihr Büro, meine ich. Da können wir mit Erik reden. Sagen Sie ruhig nein, wenn es Ihnen zu viel ist, dann fahre ich allein. Möchten Sie eigentlich jemanden anrufen?«
»Nein. Und ich komme gerne mit«, antwortete Kenneth beinahe trotzig. »Ich will wissen, wer das getan hat.«
»Nun
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