Meerjungfrau
mit Pia war alles anders geworden, und im Herbst hatten sie eine kleine Tochter bekommen. Sein Singledasein erschien Martin nun wie ein ferner und nicht besonders angenehmer Traum.
Wieder Schweigen. Gösta trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad, hörte aber nach einem irritierten Blick von Martin damit auf.
Beide zuckten zusammen, als Martins Handy klingelte. Martin nahm den Anruf entgegen. Sein Gesicht wurde immer ernster.
»Wir müssen los.« Martin machte das Handy aus.
»Wieso? Was ist passiert?«
»Das war Patrik. Bei Christian Thydell ist was passiert. Christian hat gerade in der Dienststelle angerufen und vollkommen wirres Zeug geredet. Es ging um die Kinder.«
»Verdammt.« Gösta fuhr sofort schneller. »Halt dich fest«, sagte er zu Martin und trat noch beherzter aufs Gaspedal. Er verspürte ein beginnendes Unwohlsein. Mit Fällen, die auch Kinder betrafen, hatte er nie gut umgehen können. Mit den Jahren wurde es nicht leichter.
»Mehr wusste er nicht?«
»Nein«, antwortete Martin. »Offenbar war Christian extrem aufgewühlt. Es war nichts Vernünftiges aus ihm herauszubekommen. Wir müssen abwarten, bis wir dort sind. Patrik und Paula sind auch unterwegs, aber wir müssten vor ihnen da sein. Patrik meinte, wir sollen nicht auf sie warten.« Auch Martin war blass. Es war schon schlimm genug, gut vorbereitet an einen Tatort zu kommen, doch nun hatten sie nicht einmal die geringste Ahnung, was sie erwartete.
Vor Christians und Sannas Haus machten sie sich nicht die Mühe, ordentlich einzuparken, sondern lieÃen den Wagen halb auf dem Gehweg stehen. Da niemand auf ihr Klingeln reagierte, gingen sie einfach hinein.
»Hallo? Ist jemand zu Hause?«
Als sie Geräusche aus dem Obergeschoss hörten, rasten sie die Treppe hinauf.
»Polizei.« Sie riefen noch einmal. Noch immer erhielten sie keine Antwort, aber aus einem der Räume drang ein Schluchzen, lautes Kindergeschrei und Plätschern.
Gösta holte tief Luft und blickte hinein. Sanna saà auf dem BadezimmerfuÃboden und weinte so heftig, dass sie am ganzen Körper zitterte. In der Badewanne saÃen zwei kleine Jungs. In Wasser, das zartrosa war. Sanna seifte die beiden ein und schrubbte sie kräftig ab.
»Was ist passiert? Sind sie verletzt?« Entsetzt starrte Gösta die Kinder in der Wanne an.
Sanna drehte sich kurz zu ihnen um, bevor sie sich wieder ihren Söhnen zuwandte und fortfuhr, sie zu waschen.
»Sind sie verletzt, Sanna? Sollen wir einen Krankenwagen rufen?« Gösta hockte sich neben sie und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Aber Sanna antwortete nicht. Sie schrubbte weiter, allerdings ohne Erfolg. Die rote Farbe schien sich nur zu verteilen.
Er sah sich die Kinder genauer an, und sein Puls normalisierte sich. Es war kein Blut.
»Wer hat das getan?«
Schluchzend wischte sich Sanna mit dem Handrücken einige rosa Wassertropfen aus dem Gesicht.
»Sie ⦠sie â¦Â« Ihre Stimme versagte. Beruhigend drückte Gösta ihre Schulter. Aus dem Augenwinkel sah er Martin abwartend im Türrahmen stehen.
»Das ist Wandfarbe«, sagte er zu Martin. Dann drehte er sich wieder zu Sanna um. Sie atmete tief ein und versuchte es noch einmal:
»Nils hat nach mir gerufen. Er saà aufrecht im Bett. Sie ⦠sie sahen so aus. Jemand hat etwas an die Wand geschrieben, und die Farbe muss auf ihre Betten gespritzt sein. Ich dachte, es wäre Blut.«
»In der Nacht habt ihr nichts gehört? Oder am Morgen?«
»Nein, nichts.«
»Wo ist das Kinderzimmer?«, fragte Gösta.
Sanna zeigte in den Flur.
»Ich sehe es mir mal an.« Martin verschwand.
»Ich komme mit.« Bevor er sich erhob, sah Gösta Sanna in die Augen. »Wir sind gleich wieder da. Okay?«
Sie nickte, und Gösta ging in den Flur. Im Zimmer der Jungen ertönten aufgeregte Stimmen.
»Lass das sein, Christian.«
»Das muss weg â¦Â« Christian wirkte genauso verwirrt wie Sanna. Als Gösta hereinkam, wollte er offenbar gerade einen ganzen Eimer Wasser an die Wand kippen.
»Wir müssen es uns zuerst ansehen.« Martin hielt abwehrend die Hand hoch. Christian war nur mit einer Unterhose bekleidet. Die roten Flecken auf der Brust hatte er sich wahrscheinlich zugezogen, als er gemeinsam mit Sanna die Kinder ins Badezimmer getragen hatte.
Er wollte das Wasser ausschütten, aber Martin kam ihm zuvor
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