Meggie (German Edition)
Menschen dort waren es nicht. Sie dachte an ihre Eltern. New York war eben doch eine andere Welt und John wusste es auch. Aber er sagte es nicht. Er wollte sie nicht beunruhigen, sie nicht noch mehr in Nachdenklichkeit versetzen.
„Mach nicht so ein trauriges Gesicht“, sagte er. „Wir werden uns so oft sehen, wie es geht. Du wirst mich öfter am Hals haben, als es dir vielleicht lieb sein wird“, scherzte er.
Er scherzte immer in ernsten Augenblicken. Er versuchte sie damit aufzuheitern, was ihm aber nicht ganz gelang.
„Wenn ich doch nur schon älter wäre, dann könnte ich hier bei dir bleiben, oder wir könnten irgendwo anders leben, allein und ungestört und niemand würde danach fragen.“
„ Du bist aber nicht älter und du solltest froh darüber sein. Wenn du älter wärst, hättest du andere Probleme und das Älterwerden ist nicht so reizvoll wie ihr jungen Mädchen immer denkt. Sei froh, dass du so jung bist und noch soviel schöne Dinge vor dir hast.“ – „Ohne dich werden es bestimmt nur schlechte Dinge sein, die ich vor mir haben werde“, sagte Meggie.
„ Unsinn“, entgegnete John. Er hielt sie lange in den Armen. „Du wirst nur schöne Dinge vor dir haben“, sagte er.
Meggie zog sich an, packte die restlichen Sachen in ihre Tasche und hörte währenddessen schon die Hupe des Busses, der mit den anderen draußen auf sie wartete. Sie ließ sich Zeit. Sie hatte es nicht eilig von hier wegzukommen. Schließlich wurde das Hubzeichen in kurzen Abständen gegeben, was Meggie zur Eile zwingen sollte. Sie nahm ihre Tasche und sagte: „ Ich muss gehen.“ John begleitete sie nach draußen. Er umarmte sie zum Abschied und küsste sie lange auf den Mund.
Dann erst ging Meggie zu den anderen hinüber. Irgendwie konnte sie nicht verhindern, dass sie traurig war und ihre Tränen die Wangen herunter liefen. Erst als sie ihm den Rücken gekehrt hatte und zu der wartenden Meute hinüberging, wischte sie sich die Tränen fort und hoffte, dass niemand ihre rot geweinten Augen bemerken würde. July jedoch bemerkte sie und sah sie fast mitleidvoll an.
„ Komm, steig endlich ein“, befahl sie kühl. Meggie drehte sich zu Johns Haus um, sah ihn noch immer an der Tür stehen und winkte ihm zu. Dann schloss sich die Tür und sie fuhren los.
Am späten Abend kamen sie in New York an und Meggie war die Letzte, die nach Hause gefahren wurde, weil das Haus ihrer Eltern außerhalb New Yorks lag. Sie hatte vor ihrer Abfahrt ihren Eltern nicht mitgeteilt, wann sie ankommen würde und wunderte sich jetzt auch nicht, dass niemand zu Hause war.
Meggie stellte ihren Koffer in ihrem Zimmer ab, ging hinunter durchs Wohnzimmer in den Garten. Vom Nachbargrundstück rief Mrs. Harper ihr zu, dass ihre Eltern zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung nach Boston gefahren seien und erst morgen zurückkommen würden.
„ Ist okay“, antwortete Meggie.
„ Willst du nicht rüberkommen? Du kannst heute Nacht auch bei uns schlafen, wenn du nicht allein bleiben möchtest. Und etwas zu Essen kann ich dir auch machen“, sagte Mrs. Harper.
Meggie wehrte ab.
„Schönen Dank, aber es macht mir nichts aus, alleine zu bleiben.“
Im Gegenteil, sie war froh, allein zu sein. So brauchte sie niemanden wegen ihrer schlechten Laune und ihrer Bedrücktheit Rechenschaft ablegen.
Sie genoss das Alleinsein. Sicher, Mrs. Harper hatte es gut gemeint und egal was sein würde, sie war ja in der Nähe und Meggie konnte jederzeit zu ihr rüber gehen, wenn sie es wollte. Aber sie wollte nicht. Sie ging wieder ins Wohnzimmer, setzte sich an den Schreibtisch ihres Vaters und wählte Johns Nummer, um ihm zu sagen, dass sie gut zu Hause angekommen war. Aber es meldete sich niemand und Meggie legte bedrückt den Hörer auf. Hier kam ihr alles so leer und traurig vor, aber selbst, wenn ihre Eltern da gewesen wären, so wäre es trotzdem leer gewesen, weil John nicht bei ihr war. Sie konnte sich plötzlich nicht vorstellen, wie sie ohne ihn hatte leben können. Jetzt konnte sie es nicht mehr.
An diesem Abend ging Meggie gleich schlafen und als am anderen Tag ihre Eltern zurückkamen, hatte sie sich wieder einigermaßen gefangen. Aber auch an diesem Morgen hatte sie John nicht erreichen können, was sie beunruhigte. Vielleicht war er ebenfalls zurückgefahren. Schließlich hatte sie ja seine Adresse in New York.
An diesem Tag kamen ihre Eltern mit der Neuigkeit nach Hause, dass man ihren Vater an die erste Stelle der Wahlliste gesetzt hatte, das
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