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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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in der Welt schmeckte Hund? Er nahm das beiliegende Foto, das Constance auf der Chinesischen Mauer zeigte, aus dem Umschlag heraus und legte es zu den anderen in seinen Schreibtisch. Aus den Augen, aus dem Sinn. Er konnte Unordnung nicht ertragen, in seiner Wohnung gab es das Durcheinander nicht, das bei so vielen anderen Leuten herrschte: die Stapel Magazine und Zeitungen, den verstaubten Nippes, die Haufen von Garderobe, die aus reiner Faulheit über einer Stuhllehne oder verstreut auf dem Boden lagen, die Küchenschublade, die vor lauter Krimskrams klemmte, sodass man sie nicht mehr aufziehen konnte. Er hatte sich dieses Wohnhaus wegen seiner geografischen Lage ausgesucht und wegen des Namens des Stadtteils, Sunnyside, wo das Licht fast den ganzen Tag durch die Fenster hereinströmte und jede Staubfluse sichtbar machte, jeden Schmierstreifen auf dem Fensterglas, sämtliche Krümel unter dem Tisch, die man beim Fegen nicht miterfasst hatte.
    Er wanderte in die Küche. Der Raum war blitzblank, die Arbeitsplatten leer, der Boden erst am Morgen frisch geputzt, sodass er glänzte. Kein einziger Krümel, keine einzige Staubflocke. Sauber, steril — genau, wie er es mochte. Sein langgezogenes Gesicht spiegelte sich in der polierten Seite des Toasters. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen. Wo war das Gefühl von Befriedigung, das er sonst immer empfand, wenn seine Umgebung in diesem Zustand war? Vielleicht würde ein wenig Farbe helfen. Ein Gemälde oder zwei lenkten ihn vielleicht ab von der Leere seines Lebens. Er klopfte mit den Fingern auf den leeren Tisch, sprang dann auf und eilte zurück zu seinem Schreibtisch. Er zog die Schublade auf und fingerte zwischen den Briefen nach den Fotos. Wieder in der Küche, legte er sie in Form eines Fächers auf dem Tisch aus. Constance am Great Barrier Reef; Constance mit dem Massai; Constance umgeben von Hügeln aus Zimt, roten Chilischoten und Mangos auf einem Markt in Neu-Delhi. Er schnappte sich seine Autoschlüssel und führ hinunter zum Einkaufszentrum, wo er in einem Fachgeschäft für Bürobedarf ein Dutzend unauffälliger Kühlschrankmagnete erstand. Als er wieder nach Hause kam, klemmte er die Fotos in ordentlichen Reihen auf die Tür des Kühlschranks. Er trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu begutachten. Schon bald würde er noch mehr Magnete brauchen.
    Ein weiterer Brief und eine Postkarte, die eine erschrockene Schafherde zeigte, trafen Mitte Juni ein.

    1. Juni 1985
    Rotorua, Neuseeland
    Mein lieber Trevor,
    ich wollte mich immer schon mal in einem Schlammbad wälzen. Die Quellen in Rotorua riechen wie Schwefel ' erwärmen den Körper aber ; und es geht das Gerücht um, dass sie den Alterungsprozess verlangsamen. Gäbe es Hoffnung für uns beide, wenn ich meine Uhr um vierzig Jahre zurückdrehen könnte? (Schämen sollte ich mich — sagen Sie Angela, dass ich nur Spaß mache.) Ich habe die Jungs nicht mit in den Schlamm genommen.
    Sie sind schon zu weit hinüber.
    Sie fragen sich vielleicht, wie das ist, drei Ehepartner gehabt zu haben, wo Sie selbst doch noch niemals eine Ehefrau hatten. Ich will hier nicht andeuten, dass Sie ein Mann mit einer gewissen Neigung sind, aber wenn Sie es wären, würde ich Sie trotzdem immer noch mögen. Mich interessieren solche Dinge nicht. Ich schätze es, wenn ein Mensch ein gütiges Herz hat, und Sie haben eines der gütigsten, die mir je begegnet sind. Ich werde niemals vergessen, wie Sie mich aus den Fängen der Ägypter gerettet haben.
    In meiner Jugend dachte ich, wenn eine Beziehung endet, ob wegen Tod, Scheidung oder schlichtweg Langeweile, würde die andere Person einfach Weggehen, und man würde sie vergessen.
    Ich habe mich geirrt. Jedes Mal, wenn einer meiner Ehemänner ging, ob Martin, Donald oder Thomas, hat er einen von ihm geprägten Teil von mir weg- und mit sich genommen. Jeder von ihnen hinterließ ein Loch in meiner Seele, und die fehlenden Stücke umkreisen mich, wie Monde einen Planeten. Von Zeit zu Zeit kreist einer von ihnen in mein Bewusstsein hinein, und ich erinnere mich an den Menschen. Gute Erinnerungen, schlechte Erinnerungen. Ich erzwinge sie nicht, sie... passieren. Ich gehe vielleicht gerade in einer fremden Stadt die Straße entlang, und plötzlich walzt Thomas in meinen Kopf Oder ich hocke auf den Knien in meinem Garten, und auf einmal kniet Martin im nächsten Beet und gräbt die Kartoffeln um. Ich bin eine Frau voller Löcher, die drei Monde umkreisen. Ich habe nirgendwo meine Ruhe vor

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