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Mehr als ein Sommer

Mehr als ein Sommer

Titel: Mehr als ein Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Eriksson
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weißt du von ihm?«
    »Er ist da draußen.« Trevor zeigte durch das Fenster. »Er ist mir nachgelaufen.«
    »Leidest du an akuter Unterkühlung?«
    »Er mag Butterbrote. Ich habe ihn mit dem hier gefüttert...« Er zog den Reißverschluss seiner Jacke auf, und die Papiertüte fiel auf den Fußboden. »Das ist für dich. Dein Lieblingsessen. Meines auch.« Er bückte sich und riss die Tüte auf, hielt ihr das hin, was noch von dem Butterbrot übrig war. »Erdnussbutter und Käse.«
    Sie war so erstaunt, dass sie ruckartig den Kopf hob. »Mit wem hast du dich unterhalten, dass...«
    »Ich... ich liebe dich, Ang.« Seine Stimme verließ ihn ebenso wie seine Entschlossenheit.
    Eine tiefe Röte schoss Angela ins Gesicht, aber unter der Farbe waren ihre Wangen bleich in dem gedämpften Schein der Petroleumlampe, die auf dem Tisch stand, und die Falten an ihren Mundwinkeln, die ihm noch nie zuvor aufgefallen waren, ließen sie nahezu alt aussehen. »Nenn mich nicht Ang«, wisperte sie. »Nur Bjorne durfte mich so nennen.«
    »Angela, ich...«
    Was würde Constance in einer Lage wie dieser hier tun? Sie könnte Angela dazu bringen, ihr innerhalb von fünfzehn Minuten bei einer Tasse Tee die gesamte Geschichte ihres Lebens anzuvertrauen. Ihre seltsame Macht über andere Menschen. Nur war er nicht Constance. Nicht einmal ansatzweise.
    »Ich habe dir gesagt, dass ich dich nicht sehen will«, blaffte Angela ihn an. »Und für den Fall, dass es dir noch nicht aufgefallen sein sollte«, sie wedelte mit dem Holzlöffel durch den Raum, »ich bin hergekommen, um allein zu sein.«
    »Deine Eltern haben mir gesagt, du würdest drüben bei Bjorne wohnen.«
    »Ich... ich konnte es nicht ertragen, in dem Haus zu sein.« Mit einem Ruck wandte sie sich von ihm ab und lief mit großen Schritten zum Westfenster. Inzwischen war wieder Wind aufgekommen, und gegen die Scheibe prasselten vereiste Schneeflocken wie Korn, das gerade ausgeschleudert wurde. Ihr Spiegelbild wirkte verzerrt in dem alten Glas. »Geh bitte.«
    Trevor, der seine Hand ausgestreckt hatte, ließ sie entmutigt sinken. Er hatte es versucht, war das Risiko eingegangen und hatte verloren. Die Chance auf Angela und eine zwar ungewisse, aber dauerhafte Zukunft mit ihr war dahin. Er trat ein paar Schritte vor, legte das Butterbrot vorsichtig auf die Tischplatte und zog den Reißverschluss seiner Jacke zu. Als er die Tür öffnete, wurde er von frostkalter Luft erfasst, und Schnee umwehte ihn, hüllte ihn ein in eisige Traurigkeit. »Falls ich es nicht bis zurück zum Wagen schaffe«, brüllte er gegen den Sturm an, »lass mich in Swede Lake begraben. In der Nähe von Bjorne.« Bevor er hinaustrat in den Blizzard, drehte er sich noch einmal rasch zu ihr um. »Und noch etwas, Angela. Es war nicht meine Schuld.« Bis Trevor in das alte Flussbett hinabgestiegen und auf der anderen Seite wieder herausgeklettert und durch Schneeverwehungen zum Truck zurückgewatet war, zeigten sowohl er als auch seine Taschenlampe Ermüdungserscheinungen. Der schwache Lichtstrahl, so gut wie nicht zu gebrauchen, beleuchtete ein schmales Oval aus wirbelnden Schneeflocken. Der Pfad zurück zur Farm lag inzwischen vollständig verdeckt unter den Schneewehen.
    »Alte Weiber, die sich in alles einmischen«, knurrte er. »Wie konnte ich nur jemals auf sie hören?«
    Er stützte sich vornüber auf die Kühlerhaube des Trucks, um wieder zu Atem zu kommen. Ein Kojote heulte von der anderen Seite des Fahrzeugs, und der einsame Aufschrei kam aus solcher Nähe, dass Trevor zusammenzuckte. Der Antwortruf, eine Tonlage tiefer, ertönte hinter ihm, und er drehte sich um und leuchtete mit seiner Taschenlampe hinein in die Nacht; doch wurde das Licht immer schwächer und flackerte, und dann ging es ganz aus. Als ein drittes Heulen vom Wind aus der Richtung der Farm herübergetragen wurde, riss er an der Tür des Trucks, kletterte hinein und schlug den Knopf mit der Faust herunter.
    Im Inneren des Wagens war es nicht wärmer, aber er war dankbar, aus dem Wind heraus zu sein und, wie er hoffte, in Sicherheit vor den Kojoten. Allerdings nicht sicher vor der Winternacht, der betäubenden Kälte. Wie lange konnte er das hier überleben? Er hatte gehört, dass man einfach einschlief, und das war es dann. Das Heulen der Tiere wurde immer schlimmer — zwei, drei, vier von ihnen; er konnte es nicht genau sagen. Er ließ das Fenster einen schmalen Spalt herunter und versuchte, sie zu zählen, aber es war unmöglich. Der Gesang

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