Mehr als fromme Wuensche
zu großen Schulranzen und Schultüten voller Aufregung, Erwartung und auch Angst ihre neuen Schulen betreten. Finde ich Freunde? Werde ich mithalten können? Ich will schnell lesen lernen! Die unterschiedlichsten Gefühle bewegen die Kinder. Stolze Eltern, Paten und Großeltern werden mit von der Partie sein.
Heute wissen wir allerdings zweierlei. Zum einen fängt nicht mit der Schule der Ernst des Lebens an. Die Elementarpädagogik weiß, dass schon zwischen dem ersten und dem dritten Lebensjahr die entscheidenden Weichen für die Beziehungsfähigkeit und die sozialen Kompetenzen eines Kindes gestellt werden. Wenn ein Kind sich in diesen Jahren gehalten weiß, wenn andere sich ihm zuwenden, wird es selbst Halt haben und später in der Lage sein, auf andere zu achten. Spürt es keine Nähe, wird es vernachlässigt, kann es keine Zuneigung zu anderen entwickeln.
Zwischen dem dritten und sechsten Lebensjahr wird die Lernkompetenz eines Kindes entwickelt. Erhält es Anregungen, wird ihm vorgelesen, wird es eingeführt in die Welt der Sprache und der Bilder, so ist Neugier für´s Leben geweckt. Wird es in diesen Jahren nicht angesprochen und gefördert, so ist das später kaum nachzuholen. Das macht deutlich: Wir müssen viel früher beginnen mit der Förderung von Kindern. Auch wenn in Deutschland eine heftige Abwehr gegen Betreuungseinrichtungenbesteht, so ist doch erwiesen, dass manches Kind in einer Krippe oder einem Hort besser gefördert werden kann als zu Hause.
Die zweite Erkenntnis ist, dass in Deutschland soziale Herkunft und Bildungsabschluss so sehr wie in keiner anderen Industrienation zusammenhängen. Es haben also nicht alle Kinder automatisch die gleichen Chancen, die am Tag der Einschulung zusammenkommen. Auch hier brauchen wir bessere Förderung, andere Schulsysteme, die aufmerksam sind für Fähigkeiten und Bedürfnisse einzelner. Kindertagesstätten dürfen nicht einfach nur Betreuungseinrichtungen sein. Es geht auch um Bildung. Kitas können ausgebaut werden zu Eltern-Kind-Zentren, in denen auch Eltern lernen können, wie sie ihre Kinder fördern.
Ja, der Ernst des Lebens beginnt für Kinder lange vor der Einschulung. Deshalb müssen wir achtsam sein, gerade auf die Kleinen. Und wir müssen die Schule so verändern, dass die Kinder mit Lust hingehen, ohne Angst, und mit gleichen Chancen, ganz gleich, aus welcher sozialen Herkunft sie dorthin kommen.
Die Reformation im 16. Jahrhundert war ein ungeheurer Bildungsvorgang. Martin Luther hat die Bibel in die deutsche Sprache übersetzt. Damit konnten alle verstehen, was darin geschrieben ist. Bis dahin hörten Menschen die Lesungen auf Latein, sie waren angewiesen darauf, dass die Priester erzählten, was gemeint war, oder dass Bilder zeigten, wovon die Bibel spricht. Die Bibelübersetzung war eine großartige Leistung, die auch die deutsche Sprache für alle gemeinsam von Ostfriesland bis Bayern erst möglich gemacht hat. Damit die Menschen selbst nachlesen konnten, haben die Reformatoren Schulen gegründet, für Jungen und auch für Mädchen. Bildung und Verstehen sind grundlegend christliche Anliegen.
Zerrissene Jugend
D ie Jugend von heute ist mal wieder ganz anders, als wir denken. Sie will nicht aussteigen, wie die Jungen damals in den 70ern, nein, sie will aufsteigen. Es scheint, dass ein neuer Bildungsehrgeiz bei der Jugend angelangt ist. Längst haben sie begriffen: Nur wer gut ausgebildet ist, hat eine Chance.
Aber dabei werden auch viele abgehängt. Die neue Shell-Studie zeigt, dass zwischen den vielen tollen Reden zur Förderung von Jugendlichen, dem Willen der jungen Leute und der Realität noch Welten liegen. Chancenlos bleiben offenbar alle, die aus so genannten bildungsfernen Schichen kommen. Und die jungen Frauen hängen die jungen Männer ab. In den Haupt- und Sonderschulen sammeln sich die Perspektivlosen. 800 000 Mädchen und Jungen haben im Jahr 2006 keinen Schulabschluss erreicht. Das ist wahrhaftig dramatisch. Denn ohne Schulabschluss ist die Chance auf einen Arbeitsplatz minimal, die Lage wahrhaft trostlos.
Die Shell-Studie zeigt immer wieder ein Doppeltes: Zum einen ist großartig, wie die Heranwachsenden offenbar besonders engagiert sind und Bildung bewusst zu ihrem Thema wird. Andererseits ist es Angst vor Arbeitslosigkeit, die diese Haltung prägt. Auf der einen Seite ist großartig, dass 72 Prozent der Jugendlichen sich positiv zur Familie äußern. Aber sie tun das, weil sie den Eindruck haben, der Zusammenhalt in
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