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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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für Jungen und – damals höchst innovativ – Mädchen aller sozialen Schichten gefordert, damit sie selbst lesen können, was uns überliefert ist. So entsteht christliche Verantwortung; an selbst errungenen Erkenntnissen orientiert sich christliche Haltung.
    Die Moltkes
    Ein besonderes Beispiel für solch eine Haltung sind Freya von Moltke und Helmuth James Graf von Moltke. Sie hatten den Mut, in Kreisau an ein Europa der Gerechtigkeit, der Demokratie und des grenzüberschreitenden Miteinanders der Nationen zu denken, während Vertrauen zerstört war und alles in Schutt und Asche fiel. Sie ließen sich weder von der Ideologie des Nationalsozialismus verführen, noch von der Angst vor dem Terrorregime lähmen. Bis zuletzt: Da konnte ein Richter Freisler noch so tönen – Helmuth James Graf von Moltke fühlte sich gehalten von der Liebe seiner Frau, von der gemeinsamen Vision und von Gottes Zuwendung. Was ist das für eine Freiheit, sich nicht von dem lähmen zu lassen, was scheinbar unabwendbar ist, sondern darüber hinaus zu denken!
    Zum anderen war es aber auch die Freiheit zu lieben, die sie sich bewahrten, als sie durch Verhaftung und schließlich Hinrichtung getrennt wurden. Die Lektüre des Briefwechsels der beiden ist sehr anrührend, und als Freya von Moltke 2007 beim Gottesdienst aus Anlass des 100. Geburtstages von Helmuth James Graf von Moltke in Berlin anwesend war, konnten wir alle etwas spüren von der tiefen Verbundenheit über all die Jahrzehnte, ja, über den Tod hinaus. Die Liebe zweier Menschen zueinander war spürbar, eine Liebe, die auch von gemeinsamem politischen Denken, geteilten Visionen, Hoffnungen und gesellschaftlichen Zielen geprägt war.
    Eine dritte Freiheit sehe ich darin, das Vergangene hinter sich lassen, neu anfangen und in Frieden zurückschauen zu können. Freya von Moltke beschreibt in ihrer Biografie eine Freiheit, die sich nicht im Grämen erdrücken lässt. Eine Freiheit, die nicht durch Vergeltungsdrang eingeengt wird. Eine Freiheit zur Versöhnung – mit der eigenen Biografie und mit anderen Menschen. 1945 nach Südafrika zu gehen – das war kein leichter Schritt. Die Rückkehr in „Adenauers Deutschland“, wie die Biografie die Jahre von 1956 bis 1960 überschreibt 14 , war eine Enttäuschung, die Jahre in den USA aber waren offensichtlich ein Segen. Eine eigenständige Frau, die schließlich große Lebensenergie in ihr Anliegen steckte: die „Vergangenheit mit der Zukunft zu verknüpfen“. So entstand das neue Kreisau – ein Ort, an dem sich heute Jugendliche aus Deutschland und Polen und darüber hinaus begegnen.
    Diese drei Dimensionen der Freiheit – die Unabhängigkeit vom Zeitgeist, die Grenzen überschreitende Liebe zu einem Mitmenschen und das Loslassen von Lebenslasten –, die ich bei den Moltkes sehe, können wir auch heute umsetzen. Da geht es zunächst um den unabhängigen Blick auf die Welt. Ein Blick, der sich nicht vom Zeitgeist beeinflussen lässt, sondern versucht, von der Bibel her zu schauen und auch zu beurteilen, was geschieht. Geht es um den Aufbau der Gemeinschaft oder um Selbstsucht? Bin ich bereit, Beziehungen ernst zu nehmen und mit anderen zu ringen – um Miteinander, Vertrauen, Liebe, Solidarität? Und schließlich ist entscheidend, ob ich loslassen kann und neue Wege zu gehen vermag, auch wenn es schwerfällt, alte zu verlassen.
    Freiheit ist vielfältig und oft ein Wagnis, damals bei den Moltkes, aber auch heute. Ich denke an ein Paar in meiner ersten Gemeinde. Sie übernahmen den elterlichen Hof und entschieden sich, den Betrieb in ökologische Landwirtschaft umzuwandeln. Das war ein harter Weg! Eltern und Schwiegereltern meldeten Zweifel an, im Dorf wurde kritisch und kontrovers diskutiert, ökonomisch war es eine Berg- und Talfahrt. Aber sie waren überzeugt, so für ihre Kinder verantwortlich zu handeln, sie haben es in ihrer Beziehung durchgestanden, und am Ende konnten sie nach vielen schweren Jahren sagen: Es war gut so. Die emotionale, körperliche und ökonomische Belastung war schwer zu tragen. Nicht alle haben die Kraft, ja, auch die tiefe innere Freiheit und die gegenseitige Liebe, solche Herausforderungen durchzustehen!
    Luthers Freiheitsbegriff hat in der Tat große Konsequenzen nach sich gezogen. „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ als Parole der französischen Revolution hat im Gedanken der Freiheit eines Christenmenschen durchaus Wurzeln. Am Ende ist der Bogen bis zur Aufklärung zu spannen: Wage es,

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