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Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern

Titel: Mehr als Ja und Amen - Doch wir koennen die Welt verbessern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margot Kaessmann
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sozusagen oder auch er-dacht. In der Apostelgeschichte wird folgende Begebenheit erzählt:
    Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, welcher ihren ganzen Schatz verwaltete, der war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen
    (Apg 8,27b–31).
    Philippus erläutert dem Kämmerer, dass der Prophet Jesaja auf Jesus hinweist. Der Mann aus Äthiopien erkennt dies als wahr an, lässt sich taufen und „zog seine Straße fröhlich“ (8,39b). Das ist eine sehr interessante Passage, finde ich. Ein Mensch interessiert sich für die Bibel und beginnt selbst zu lesen. Ein anderer hilft ihm zu verstehen. Der Mann erkennt die Bedeutung des Gelesenen und Gehörten und wagt das Vertrauen in den Glauben an Jesus Christus, lässt sich taufen und zieht fröhlich weiter auf dem Weg seines Lebens …
    Dass heute jemand „im Wagen sitzt“ und die Bibel liest, ist eher selten. Es ist eine Ausnahme, dass jemand wie der Sänger Xavier Naidoo berichtet, er habe einfach so mal angefangen, hineinzulesen. Als er davon in einer Talkshow erzählte, in der wir gemeinsam zu Gast waren, fand ich das spannend. Viele seiner Lieder erzählen von dieser Erfahrung: „Nichts ist so wichtig wie die Verbindung zu dir. Denn es wäre mein Ende, wenn ich diese Verbindung verlier …“, singt er.
    Dass ein solches Bibellesen die Ausnahme ist, ist vor allem im Heimatland der Reformation ein Trauerspiel! Luther hat die Tragweite von Selbstlesen und Hören erfahren und deshalb die Bibel in die deutsche Sprache übersetzt, um allen die eigene Auseinandersetzung mit dem Text zu ermöglichen. Er hat seine Schriften auf Deutsch verfasst, damit auch Menschen jenseits der Wissenschaft lesen und mitreden können, nicht nur die lateinisch Gebildeten. Manche seiner Universitätskollegen haben es abschätzig als unwissenschaftlich angesehen, dass er auch viele Schriften auf Deutsch verfasste. Aber lesen dürfen, nachfragen, andere um Rat bitten, miteinander um Antworten ringen – das ist die Grundlage christlichen Lebens seit jenem Reisenden, von dem die Apostelgeschichte berichtet.
    Wenn mich jemand fragt, wo oder wie denn anzufangen sei, rate ich: Lesen Sie erst einmal das Markusevangelium. Dieses schildert kurz und knapp die Geschichte Jesu. Danach folgen am besten Matthäus und Lukas. Wer alle drei Evangelien gelesen hat, versteht: Hier wird dieselbe Geschichte berichtet, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten. Auf dieser Grundlage wird auch das Johannesevangelium dann mit seinem ganz eigenen Blick wahrnehmbar. Danach kann die Apostelgeschichte folgen, in der Lukas von den ersten Gemeinden erzählt, schließlich die Briefe des Paulus, teilweise schwere Kost. Und dann natürlich gern und mit Lust und Liebe die Vätergeschichten im ersten Buch Mose oder die Propheten des hebräischen Teils der Bibel. Fang an! Lies selbst. Und dann schau, was diese Texte in dir bewegen, welche Fragen sie aufwerfen, wer dir Rat geben könnte, mit wem du dich austauschen magst. Ich bin überzeugt, eine Frage löst eine andere aus, das können spannende Gespräche werden! Die Hauskreise der DDR haben ebenso wie Angebote zum Predigtnachgespräch in vielen Gemeinden und Bibelgespräche gezeigt, dass es auch heute großartige Möglichkeiten gibt, solche Gespräche zu beginnen.
    Mich fasziniert immer wieder, wie wichtig Bildung für alle Reformatoren war. Melanchthon war Lehrer aus Leidenschaft, ja, wird auch aufgrund seiner Bemühungen um eine Universitätsreform als „Lehrer der Deutschen“ bezeichnet. Martin Bucer wird von Lutheranern wie von Reformierten als Kirchenlehrer angesehen. Ulrich Zwingli lernte Griechisch, um das Neue Testament im von Erasmus von Rotterdam editierten Urtext lesen zu können. Er selbst besaß die für damals sehr große Zahl von 100 Büchern und gründete in seiner Glarner Pfarrei 1510 eine Lateinschule. Und dann das Genfer Kolleg, von Johannes Calvin gegründet, das die reformierte Bildungsbewegung in viele Regionen Europas brachte!
    Das war und bleibt reformatorisches Anliegen: denken, reflektieren,

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